Und jeder tötet, was er liebt
kommen will.“
„Das heißt?“
„Ganz oben heißt ein Sessel im Präsidium. Würde Kuhn tatsächlich seinen Job an den Nagel hängen, um Präsident eines Fußballvereins zu werden?“
„Gäbe es denn eine realistische Chance?“
„Weiß nicht, unser Präsident sitzt eigentlich fest im Sattel. Der einzige Grund für seinen vorzeitigen Abschied könnte seine angeschlagene Gesundheit sein.“
Anna schob ihren Teller beiseite.
„Ich frage mich, ob jemand vom HFC in den Mord an Esther Lüdersen verstrickt sein könnte.“
„In unserem Geschäft geht es um viel Geld, da ist so manches möglich.“
Jan nahm ihre Hand und streichelte sie. Anna schloss die Augen und hoffte, dass er nie wieder aufhörte. Nun beugte er sich vor und küsste sie langsam und sinnlich. Anna spürte seine warmen Lippen auf ihren, sie beantwortete diesen Kuss leidenschaftlich. Dann zuckte sie zurück.
„Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“
7
Schlecht gelaunt und mit dunkler Sonnenbrille auf der Nase betrat Anna Greve das Büro. Den ganzen Morgen schon hatte sie vergeblich versucht, die Bilder der vergangenen Nacht loszuwerden. Sie hatte mit Tom geschlafen. Vom Alkohol benebelt hatte sie angefangen, ihn zu streicheln, auch wenn sich ihre ganze Sehnsucht auf einen anderen richtete. Tom hatte sich nicht zweimal bitten lassen, sie hatten miteinander gevögelt, als sei es das letzte Mal. Anna fühlte sich schauderhaft.
„Na, schlecht geschlafen? Hier haben Sie einen schönen starken Tee.“ Weber reichte ihr die Tasse hinüber. Sie konnte Tee nicht ausstehen, aber er war wenigstens heiß, und so setzte sie die Tasse an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck.
„Trinken Sie ihn in Ruhe, und dann fahren wir zur Rechtsmedizin. Ich habe dort einen Termin mit Ihrer Zeugin Wegert gemacht.“
Bei der Aussicht auf einen Vormittag im Leichenschauhaus rebellierte Annas Magen.
Dora Wegert zierte sich schon beim Betreten des Eingangs zur Rechtsmedizin. Vor dem Untersuchungsraum bekam sie dann einen Schwächeanfall, der diensthabende Arzt musste kommen und ihren Blutdruck messen. Endlich aber war es so weit. Unter großer Anstrengung warf sie einen Blick auf den toten Mann. Dabei konnte Dora Wegert sich eigentlich nicht beschweren, dachte Anna. Die Ärzte hatten ihre ganze Kunstfertigkeit aufgebracht, um den Leichnam schön herzurichten. Natürlich war es ihnen nicht gelungen, das fehlende Stück seines Kopfes, dort wo das Projektil ausgetreten war, wieder zu ersetzen.
„Oh Gott, oh Gott.“ Dora Wegert würgte und wandte sich ab.
„Auch wenn es Ihnen schwerfällt, Frau Wegert. Bitte sehen Sie sich den Mann genau an“, versuchte Weber ihr Mut zuzusprechen.
Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, und ihr zweiter Blick auf den Toten fiel deutlich länger aus.
Als sie anschließend wieder vor der Tür standen, fragte Weber: „Und? Haben Sie ihn erkannt?“
Dora Wegert entfernte den Schal von ihrem Mund, den sie die letzten Minuten fest an sich gedrückt hatte. Sie war ganz blass geworden, bemerkte Anna nicht ohne Schadenfreude. In dem Bewusstsein und geplagt von ihrem schlechten Gewissen, dass ihre Gefühle nicht besonders menschenfreundlich waren, versuchte sie nun, es wiedergutzumachen.
„Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen.“
„Ich kann wirklich nicht beschwören, ihn erkannt zu haben, aber er könnte der Mann auf dem Beifahrersitz gewesen sein. Der war groß und kräftig gebaut, mit dunklen Haaren, genau wie der Tote. Aber es gibt viele Männer, die so aussehen.“
„Trotzdem, Sie haben uns einen großen Schritt weitergebracht. Sie waren ausgesprochen tapfer, Frau Wegert.“
Weber machte seine Sache als Seelentröster sehr gut, und Anna war froh, im Hintergrund bleiben zu können. Wieder im Büro setzte sich die Kommissarin an ihren Schreibtisch und überlegte. Sie hatte sich fest vorgenommen, mit Weber über das Verhalten ihres Chefs zu sprechen. Sie wollte es nicht so einfach auf sich beruhen lassen, dass Martin Kuhn im Fall Lüdersen Informationen zurückgehalten und damit die Polizeiarbeit behindert hatte.
Gerade in diesem Augenblick kam Weber zur Tür herein. „Holger Maiwald hat sich abgesetzt. Den ganzen Tag versuche ich schon, ihn zu erreichen. Auf seiner Arbeitsstelle sagte man mir, er sei heute ohne Begründung nicht erschienen. Gestern Abend hat er einen Flug von Frankfurt nach Sankt Petersburg gebucht und sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen anderen Namen zu benutzen. Scheint sich
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