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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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in meiner Freizeit in Anwesenheit von Lüdersen über den Stand unserer Ermittlungen aushorcht.“
    Mist, dachte sie, das letzte Wort war ihr einfach so herausgerutscht. Dass sich Kuhn über die Entwicklung der Dinge informieren wollte, konnte man eigentlich nicht als Aushorchen bezeichnen. Nur dass er dies vor Lüdersen tat, schien ihr bedenklich zu sein.
    „Er hat natürlich ein Recht darauf, von unseren Fortschritten zu erfahren. Trotzdem, Weber, ich glaube wirklich, wir müssen mit ihm sprechen.“
    „Lassen Sie uns die Angelegenheit überschlafen. Wir reden morgen weiter. Einen schönen Feierabend, Anna.“
    Anna Greve saß im Auto und überlegte, was sie mit dem angefangenen Abend machen sollte. Seit wann sprach Weber sie eigentlich mit ihrem Vornamen an? Die Kommissarin kurvte ziellos in einem großen Bogen um die Innenstadt herum, sie hatte keine Lust, sofort nach Hause zu fahren und dort mit Tom zusammenzutreffen. Anna öffnete das Wagenfenster und da war er, der laue Sommerwind, den sie so liebte. Hier im Norden konnte man von Glück sagen, wenn man ihn ein paar Tage im Jahr auf der Haut spürte. Auf einmal wusste sie, wohin sie gehen wollte. Sie parkte ihr Auto in der Nähe des Rathausmarktes und atmete tief durch. Gemächlich schlenderte Anna voran und versuchte, alle unangenehmen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Dann setzte sie sich in ein Straßenlokal und schaute sich um. Anna liebte es, Menschen zu beobachten, ein paar Minuten in ein fremdes Leben einzutauchen, Schlüsse daraus zu ziehen und die Geschichte im Kopf weiterzuspinnen. Sie bestellte sich einen großen Wodka. Um sie herum saßen nur Pärchen, die meisten, wie es aussah, frisch verliebt. Der Sommer hatte sie wohl aus ihren Liebesnestern herausgetrieben. Wohin sie auch schaute, nur junges Glück. Sei’s drum, dachte sie und leerte das Glas in einem Zug, als ihr Handy klingelte.
    „Papa ist immer noch nicht da.“
    Paul versuchte, mit fester Stimme zu sprechen.
    „Kann dich jemand anderes mitnehmen?“
    „Nee, hier ist keiner mehr, nicht mal der Trainer.“
    „Ich bin in einer halben Stunde bei dir. Warte vorm Eingang.“
    Anna legte das Geld für ihren Drink auf den Tisch, dann ging sie zum Auto. Während sie Gas gab, wählte sie Toms Nummer, erreichte aber nur die Mailbox. Warum vergaß er ihre Absprachen? Schließlich hatte er den Kleinen vom Tennisturnier abholen sollen. Die Anlage in Marxen lag abseits der Straße mitten im Wald. Eine ziemlich einsame Gegend. Und Paul war nicht gerade mutig für sein Alter. Warum fühlte sich Tom so wenig verantwortlich? Warum musste er sie so oft im Stich lassen?
    Wir waren wie Feuer und Wasser, du hast mit meiner Liebe nie etwas anfangen können. Ich habe geglaubt, mit dir wäre ich vollständig. Du warst ein Stern für mich, damals, als ich dich zuerst gesehen habe. Hast dieses schäbige Café zum Leuchten gebracht, wenn du mit deinem langsamen Gang, fast so, als würdest du schlendern, nur so zum Spaß die Leute bedientest. Du bist immer so freundlich gewesen. Zum Schluss, als du mit Medikamenten vollgestopft in deine Kissen geflennt hast, schien es dir nicht einmal mehr nötig zu sein, in etwas anderem herumzulaufen als in diesem fleckigen Morgenmantel mit den Rosen drauf. Gelächelt hast du nur noch, wenn das Kind etwas von dir wollte. Wann bist du zum letzten Mal freundlich gewesen zu mir? Es heißt, der Mensch solle sich bescheiden, trotzdem strebt er immer nach Höherem. Jedenfalls ist es bei mir so gewesen. Mit dem richtigen Partner an meiner Seite hätte ich die Welt aus den Angeln gehoben. So habe ich immerhin dafür gesorgt, dass du die Sonne nicht mehr siehst.
    Alfons Lüdersen wollte allein sein, und sei es auch nur für einen kurzen Moment.
    „Bitte jetzt keine Anrufe, Frau Schulte.“
    Er steckte sich eine Zigarre an, inhalierte tief den süßlichen Rauch dieses tödlichen Giftes und dachte nach. Er sah auf seine Armbanduhr, bis zum nächsten Termin war noch eine halbe Stunde Zeit. Ich muss die Unterlagen in mein Schließfach bringen, überlegte er, genauso die letzten Kontoauszüge aus der Schweiz. Es wäre zu einer Katastrophe gekommen, wenn Esther ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt hätte. Er konnte nur hoffen, dass sein Schwiegervater nichts davon wusste. Wenn sich ein Wirtschaftsprüfer in den Büros breitgemacht und die Bilanzen der letzten fünf Jahre kontrolliert hätte, wäre alles ans Licht gekommen. Alfons Lüdersen wurde kalt bei der Erinnerung an den Anblick von

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