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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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jungenhaftes Lachen, das sie von Anfang an in seinen Bann gezogen hatte. Im landläufigen Sinn war er kein schöner Mann, dafür waren seine Vorderzähne zu schief, die Waden zu kräftig, der ganze Mann kein bisschen elegant. Aber er konnte wildfremde Leute durch einen Scherz zum Lachen bringen. Jan kam in einen Raum und wurde sofort wahrgenommen. Anna war sehr stolz gewesen, als er sie zu seiner Vertrauten gemacht hatte. Er war für sie immer wie ein kleiner Bruder gewesen, früher. Ihre Gefühle hatten sich gründlich gewandelt. Jetzt hätte sie einiges dafür gegeben, mit ihm allein zu sein.
    „Haben Sie gewählt?“ Der Wirt holte sie in die Wirklichkeit zurück.
    Sie bestellte die Seeteufelspieße und einen Vinho Verde, Jan nahm den Fischeintopf. Die Luft zwischen ihren Körpern vibrierte, und auf einmal war da nur noch Paulas Stimme. Nimm ihn dir! Anna zündete sich stattdessen eine Zigarette an. Höchste Zeit, den Kopf einzuschalten.
    „Im Moment liest man ja allerhand über deinen Arbeitgeber.“
    „Warum bist du immer so vernünftig?“
    Jan sah sie prüfend an, und Anna war froh, dass er nicht in ihren Gedanken lesen konnte.
    „Ich wünschte manchmal, ich hätte dich früher kennengelernt als Tom.“
    „In der Sandkiste? Ich bin zehn Jahre älter als du, such dir eine Frau, die zu dir passt.“
    „Bist du glücklich mit ihm?“
    „Wer ist schon immer glücklich.“
    Er seufzte. „Vielleicht habe ich zu viel in deine Einladung hineininterpretiert.“
    „Kann sein.“
    „Aber wir sind ja auch wegen deiner Fragen hier. Also, zeig mir mal einen Erstligaverein weltweit, der nicht schon einmal Probleme mit dem Finanzamt gehabt hätte.“
    Das Sportgeschäft lebe von schnellen Entscheidungen, erklärte Jan, oft habe das auch mit schnellem Geld zu tun. Und schnelles Geld war schwarzes Geld. Die Talente waren jung und hungrig, viele kamen aus Ländern außerhalb der EU oder aus dem Osten.
    „Seit dem Bosman-Urteil kann jeder Spieler nach Ablauf seines Vertrages ablösefrei den Verein wechseln. Die Ausländerbeschränkung hat sich zeitgleich mit der Ablöseregelung verändert, sodass diese Spieler für die großen europäischen Mannschaften interessant geworden sind.“
    „Versteh ich nicht. Was besagt dieses Bosman-Urteil eigentlich genau?“
    „Vor einigen Jahren hat ein Fußballspieler namens Bosman geklagt, weil man ihn nach Ablauf seines Vertrages nicht ablösefrei gehen lassen wollte. Er hat den Prozess gewonnen, und seitdem ist die Regelung so wie in dem nach ihm benannten Urteil. Früher durften nur drei ausländische Fußballer gleichzeitig in einem Spiel auf dem Platz stehen. Heute gibt es hierfür, jedenfalls für Spieler aus der EU, keine Beschränkungen mehr. Deshalb sind in den letzten Jahren so viele neue Talente aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen.“
    „Und die großen Vereine teilen sich den Kuchen untereinander.“
    „Um diese Spieler zu verpflichten, musst du schneller sein als die anderen und du musst genug Kapital besitzen. Unser Verein hat das Spiel schon öfter gewonnen. Das Volk steht noch immer auf Brot und Spiele, doch im Unterschied zum alten Rom muss heute auch für uns etwas dabei herausspringen.“
    Das Essen wurde gebracht, es folgte eine Zeit des Schweigens und Genießens.
    „Hast du eigentlich deinem Bauunternehmer schon auf den Zahn gefühlt?“, unterbrach Jan Greve die Stille.
    „Es ist schwierig, an Informationen heranzukommen.“
    „Sogar für die Polizei?“
    „Ja, sogar für uns ist manche Tür verschlossen. Ich vertraue meinen Instinkten.“
    „Wie es scheint, nur in beruflichen Angelegenheiten.“
    Als er ihren warnenden Blick bemerkte, wechselte Jan das Thema und erkundigte sich nach dem Rest der Familie.
    „Ich weiß auch nicht, zurzeit trete ich nicht nur in meinem Job auf der Stelle. An Beziehungen muss man arbeiten, und im Moment fehlen mir die Ruhe und die Kraft dafür.“
    Anna bestellte sich einen zweiten Vinho Verde.
    „Du hast viele Jahre alles in die Familie investiert, jetzt sollen die anderen auch einmal etwas tun. Vor allem müssen sie lernen, dass du das Recht auf ein eigenes Leben hast.“
    Jan war näher an sie herangerückt und legte ihr nun einen Arm um die Schulter.
    „Es wird schon werden.“
    Anna lehnte sich schwer gegen die Wand, so lange, bis er seinen Arm zurückzog. „Was hältst du eigentlich von Martin Kuhn?“
    „Hab munkeln hören, dein Chef möchte sich verändern. Es heißt, dass er im Verein ganz nach oben

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