Und jeder tötet, was er liebt
hinter sich gebracht und viele Jahre gemeinsamen Lebens mit Ihrer Tochter Esther. Ich glaube Ihnen einfach nicht, dass Sie zu diesem Verbrechen nichts sagen können. Versuchen Sie jemanden zu schützen?“
Wilfried Hinrichs stand auf und begann nun mit langsamen kontrollierten Bewegungen Tee nachzuschenken.
„Hören Sie endlich auf damit. Ich weiß nicht, wer Esther das angetan hat.“
Wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, dass er sie wieder einfach stehen ließ, musste sie jetzt das Thema wechseln.
„Erinnern Sie sich an den Ring, den Esther immer am kleinen Finger trug?“
„Ja. Ich habe ihn ihr zu ihrem Hochzeitstag geschenkt. Er ist aus einem Erbstück der Familie gefertigt worden.“
„Können Sie sich vorstellen, dass sie ihn verschenkt hat?“
„Niemals, der Ring gehörte zu Esther wie sonst nur wenige Dinge.“
„Und als sie Sie das letzte Mal besuchte, trug sie ihn da auch?“
Er schwieg und überlegte, dann schüttelte er den Kopf.
„Sie haben recht, bei ihrem letzten Besuch fehlte der Ring. Ich wunderte mich darüber, wollte eigentlich fragen, ob sie ihn verloren hätte, bin dann aber davon abgekommen.“
Ein Vater, der keinen Verdacht hatte, wer der Mörder seiner Tochter sein könnte, der vorgab, nichts von ihrem Leben zu wissen, erinnerte sich andererseits ganz genau an eine Kleinigkeit ihrer äußeren Erscheinung? Nein, über diese Brücke mochte die Kommissarin jetzt nicht gehen.
„Danke, Ihre Beobachtung wird einen Unschuldigen, der bei uns in Untersuchungshaft sitzt, sehr entlasten.“
„Ich habe über unser Gespräch nachgedacht.“ Er sah Anna direkt in die Augen. „Ich habe im Umgang mit meiner Tochter viele Fehler gemacht. Haben Sie Kinder, Frau Kommissarin?“
„Ja, zwei Jungen.“
„Dann geben Sie gut auf sie acht. Kinder sind das Wichtigste im Leben.“
Der Tee war mittlerweile kalt geworden, Wilfried Hinrichs rührte in seiner Tasse herum und trank ihn trotzdem. Was er vorhin zu der Kommissarin gesagt hatte, war nur ein Teil der Wahrheit. Ja, die Liebe war das Wichtigste in seinem Leben gewesen, vor allem die Liebe zu seiner Frau. Auch wenn Johanna schon so lange fort war, vermisste er sie noch immer. Es gab keinen Tag, an dem er nicht an sie dachte, keinen Tag, an dem ihm nicht ihr Gesicht erschien. Mit Johanna hatte er die Liebe gelebt. So etwas konnte passieren, aber es geschah nur einmal im Leben. Wilfried Hinrichs wusste, er hatte viel Glück gehabt. Johanna war seine Frau gewesen und er ihre große Liebe.
Walter Reimers saß zusammengesunken im Vernehmungsraum, sein eh schon schmales Gesicht wirkte eingefallen und abgezehrt.
„Ihr könnt mich hier nicht ewig festhalten, ich habe mit dem Mord an Esther wirklich nichts zu tun. Glaubt mir das endlich.“
Der alte Mann rang mit den Tränen. In diesem Augenblick kam Anna dazu und winkte Weber zur Seite.
„Wilfried Hinrichs ist sich sicher, dass Esther den Ring schon bei ihrem letzten Besuch bei ihm nicht mehr getragen hat. Durchaus möglich, dass sie ihn Reimers geschenkt hat. Lassen wir den armen Kerl laufen, Weber, er kann sich ja als Auflage einmal die Woche bei uns melden.“
„Ohne festen Wohnsitz dürfen wir ihn nicht entlassen.“
„Olaf Maas könnte Reimers bei sich aufnehmen, bis der wahre Täter gefasst ist.“
Sie verständigten Olaf Maas, der sofort einverstanden war. Am Nachmittag kam er auf das Revier, um seinen Freund abzuholen.
„Das ist sehr anständig von Ihnen, Frau Greve. Sie können sich auf uns verlassen, ich bürge für Walter. Wir werden alles tun, um Sie bei Ihrer Suche nach dem Mörder zu unterstützen.“
„Das lassen Sie besser bleiben.“ Anna gab ihnen die Hand. Die beiden hätten Vater und Sohn sein können, dachte die Kommissarin, als sie ihnen durch das Fenster nachblickte, bis sie hinter der nächsten Häuserecke verschwunden waren.
„Der Chef wird außer sich sein, wenn er erfährt, was wir gerade getan haben“, murmelte Weber sorgenvoll. Anna Greve zuckte nur mit den Achseln. Schließlich waren sie nicht dazu da, ihrem Vorgesetzten das Leben zu versüßen.
Antonia Schenkenberg streckte ihren Kopf zur Tür herein. „Ihr Schwager hat sich gemeldet, er bittet um Rückruf. Und wenn sonst nichts mehr ist, würde ich gern gehen.“
„Schönen Feierabend.“
Anna konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen, während sie Jans Nummer wählte.
„Jan, ich wollte dich zum Essen einladen. Was hältst du vom Lusitano morgen Mittag?“
„Gibt es etwas
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