Und jeder tötet, was er liebt
genießen.“
Weber war gar nicht so verkehrt, dachte Anna. Manchmal verstand er es wirklich, sie aufzuheitern.
Lothar Magnus sah genauso aus, wie er am Telefon geklungen hatte. Ein korpulenter Mann mit schwerfälligen Bewegungen und einem freundlichen Gesicht.
„Wir haben Ihnen ein paar bessere Fotos mitgebracht.“ Weber sah sich nach einer Ablagemöglichkeit um.
„Kommen Sie mal mit. Frieda, ich bin hinten!“
Lothar Magnus führte sie einen schmalen Flur entlang, der in einen großen Raum mündete. Die Backstube war bis auf den letzten Winkel mit Knet- und Rührmaschinen, Öfen und allerlei Regalen mit Blechen ausgefüllt. Trotzdem herrschte keinerlei Durcheinander, jedes Gerät schien an seinem Platz zu sein. Nur die auf allem liegende dünne Mehlschicht zeigte, dass hier auch gearbeitet wurde. Der Bäcker nahm ein Geschirrhandtuch und wischte einen in der Ecke stehenden Tisch umständlich sauber.
„Hier können Sie Ihre Sachen drauflegen.“
Weber entnahm dem Ordner einen Stapel Fotos, die den unbekannten Toten in verschiedenen Perspektiven zeigten, und reichte sie dem Bäcker. Der betrachtete die Fotografien mit großer Sorgfalt.
„Sieht ja nicht gerade schön aus. Wie ein Schwein, bei dem das Bolzenschussgerät abgerutscht ist.“
„Kommt er Ihnen bekannt vor?“
„Bin mir ziemlich sicher, dass er der Mann ist, von dem ich Ihnen erzählt habe. Er kam ungefähr zwei Wochen lang fast jeden Tag vorbei und kaufte bei uns ein.“
„Auch in Begleitung?“
„Nein, aber vielleicht hat jemand draußen vor dem Laden gewartet.“
Anna Greve zog ein Foto von Esther Lüdersen aus ihrer Tasche.
„Haben Sie diese Frau schon einmal gesehen?“
„Das ist doch die Tochter von Herrn Hinrichs. Heißt Lüders oder so.“
„Ja richtig. War Frau Lüdersen mit dem Mann zusammen in Ihrem Laden, Herr Magnus?“
„Ach woher, ihr Vater ist ein Stammkunde von uns, kauft immer exquisites Teegebäck, das ich auf Bestellung für ihn herstelle. Seine Tochter habe ich ein, zwei Mal gesehen, als sie für ihn etwas abholte. Hat sie etwas ausgefressen?“
„Hat der Mann auf den Fotos irgendwann einmal seinen Namen erwähnt oder etwas anderes, dass uns bei der Identifizierung helfen könnte?“
„Ich bin nur einmal mit ihm ins Gespräch gekommen. Das muss in der letzten Woche gewesen sein. An einem Samstag, meine Enkelin Nelli war zu Besuch. Sie kam in den Laden und trug ein Entenküken in den Händen. Da hat er gelacht, mir auf die Schulter geklopft und mich Großväterchen genannt. So etwas hätte er hier in Deutschland noch nicht gesehen, lebendige Tiere in einem Lebensmittelgeschäft. Ich glaube, wir haben ihn an seine Heimat erinnert.“
„Hat er denn gesagt, wo das ist?“
„Irgendein Dorf, den Namen habe ich vergessen. War nicht weit von Petersburg entfernt. Hamburg und Petersburg hätten viel gemeinsam, meinte er.“
„Sankt Petersburg, das frühere Leningrad?“ Weber nahm es wie immer ganz genau.
„Keine Ahnung, ich kenne mich in der Welt nicht besonders gut aus. Auf jeden Fall muss es eine große Stadt gewesen sein.“
Anna hätte den dicken Bäcker küssen mögen. Die Ortschaft, in der sein Geschäft lag, war nicht weit von der Landstraße entfernt, an der Esther Lüdersen auf ihren Mann gewartet hatte, bevor sie spurlos verschwand. Endlich gab es einen konkreten Hinweis für ihre Vermutung, dass Esther Lüdersens Tod ein Auftragsmord gewesen sein könnte und beide Verbrechen miteinander zusammenhingen.
„Sie werden gleich noch einmal mit Petersburg telefonieren müssen, Weber. Michael Antonowich braucht mehr Informationen über unseren Toten.“
Schon wenig später bekam Annas gute Laune jedoch einen Dämpfer. Martin Kuhn stürmte in ihr Büro, in der Hand hielt er einen Kugelschreiber, mit dem er nun gegen Webers Stuhllehne trommelte.
„Was gibt es Neues, Kollegen?“
Weber berichtete von ihrem Besuch in der Provinz, dann kam er auf Holger Maiwald zu sprechen.
„Holger Maiwald? Den Mann kenne ich vom HFC. Was hat der mit unserem Fall zu tun?“
„Wie es aussieht, ist er darin verstrickt, Chef. Maiwald hat sich nach Sankt Petersburg abgesetzt.“
Martin Kuhns Blick glitt zwischen Weber und Anna hin und her. So, als knüpfe er in seinem Kopf Verbindungen, um der Geschichte einen Sinn zu geben.
„Wir wollten sowieso mit Ihnen über den Fall Lüdersen sprechen. Grundsätzlich, meine ich.“
Weber machte eine Pause und sah zu Anna hinüber, die ihm den Gefallen tat und
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