Und jeder tötet, was er liebt
begann.
„Wir haben den Eindruck, dass die Kommunikation in unserer Abteilung diesbezüglich nicht optimal läuft.“
„Kommen Sie auf den Punkt, Frau Greve.“
„Könnte die Tatsache, dass Sie mit dem Ehemann der Ermordeten“, sie vermied das Wort Verdächtiger, „befreundet sind, Auswirkungen auf den Fortgang der Ermittlungen gehabt haben? Ich meine, vielleicht ist das eine oder andere Detail verzögert zugänglich gemacht worden.“ Anna bemerkte ihren verbalen Eiertanz. „Nicht absichtlich“, beeilte sie sich zu sagen.
Doch es war egal, mit welchen Worten sie versuchten, mehr über die Hintergründe im Fall Lüdersen zu erfahren. Es war vielmehr die Tatsache an sich, das Verhalten ihres Chefs überhaupt kritisch zu hinterfragen, die jedes weitere Gespräch verhinderte. Im Büro herrschte Schweigen, und Martin Kuhn machte keine Anstalten, etwas dagegen zu tun.
Jetzt war Weber an der Reihe.
„Gibt es vielleicht noch etwas, das wir wissen sollten?“
Kuhn hatte sich gerade hingesetzt, aber nun hielt es ihn nicht mehr auf seinem Stuhl.
„Sie sind unfähig, sorgfältig zu ermitteln, und verdächtigen mich, Beweismaterial zurückzuhalten?“
„Davon haben wir nicht gesprochen“, erwiderte Weber kleinlaut. „Es geht um Details, Kleinigkeiten. Hätte ich einen Freund, der in der Patsche säße, würde ich auch versuchen, ihn da rauszuholen. Ist doch Ehrensache.“
„Sie haben wohl vergessen, dass wir Kriminalbeamte sind. An erster Stelle steht die Arbeit.“ Martin Kuhn sah Weber von oben herab an.
„Ein Beamter, der nicht in der Lage ist, Job und Privatleben auseinanderzuhalten, hat in unserem Beruf nichts verloren. Ich glaube kaum, dass Sie mir so etwas unterstellen wollten, oder?“
Kuhn öffnete die Bürotür, im Hinausgehen drehte er sich noch einmal um.
„Gehen Sie wieder an die Arbeit. Es wird Zeit, dass Sie endlich mit konkreten Ergebnissen kommen. Sonst sehe ich mich gezwungen, kompetentere Kollegen auf die beiden Fälle anzusetzen.“
„War nicht so gemeint, Chef“, beeilte sich Weber zu sagen, doch die Tür war bereits zu geflogen.
„Warum hat er nur so dermaßen empfindlich reagiert?“
Anna sah ihren Kollegen erwartungsvoll an, aber Weber sortierte seine Büroklammern, als gäbe es in diesem Augenblick nichts Wichtigeres.
„Hab den Chef noch nie so erlebt“, erwiderte er endlich. „Wahrscheinlich haben sie ihm von oben noch mehr Druck gemacht.“
Jetzt zielte Anna mit einem großen Radiergummi auf Webers mittlerweile nach Farben geordnete Büroklammerhäufchen auf seinem Schreibtisch und traf das rote.
„Und in der Sache Lüdersen ist alles in Ordnung, oder wie?“
„Weiß nicht. Doch ich halte Martin Kuhn nach wie vor für einen anständigen Kerl.“
Drei Stunden lang hatten Olaf Maas und sein Freund Fred in dem Lieferwagen gewartet, dann war es endlich so weit. Sie beobachteten, wie Alfons Lüdersen das Geschäftsgebäude der LÜBAU verließ. Mit ihm zusammen machten sich auch die meisten anderen Mitarbeiter auf den Weg in den Feierabend, der Parkplatz vor dem Haus leerte sich. Olaf Maas öffnete die Beifahrertür und sah an der Fassade hinauf. Ganz oben, in einem kleinen Seitenfenster, brannte noch Licht. Wer immer sich dort aufhielt, würde wahrscheinlich auf ihren Trick hereinfallen. Er langte nach hinten und zog die blaue Jacke mit dem gelben Schriftzug hervor.
„Komm, lass uns reingehen, sonst hat der Pförtner Feierabend. Wenn erst die Wachmannschaft da ist, können wir die Sache vergessen.“
Als Angestellte eines Elektronotdienstes getarnt wollten sie versuchen, in die Räume der LÜBAU zu gelangen, um dort einen imaginären Schaden an den Leitungen zu beheben. Im Allgemeinen freuten sich die Leute über Handwerker, die kamen, um etwas zu reparieren; und solange es nicht ans eigene Geld ging, wurde auch selten genauer nachgefragt. Sie hofften, dass alle verantwortlichen Angestellten schon gegangen waren. Olaf Maas und sein Freund Fred hatten sich die Arbeitskleidung und Werkzeuge, ja sogar den Firmenwagen von einem Kumpel geliehen. Nun fuhren sie vor und parkten den Wagen gut sichtbar vor dem Eingang. Mit ihren Servicekoffern in den Händen betraten sie die Empfangshalle der LÜBAU.
Der Pförtner sah von seiner Tageszeitung auf.
„Wir kommen vom Elektronotdienst Süd. Uns wurde heute Mittag eine Fehlfunktion in einem Ihrer Büros gemeldet.“
„Die Herrschaften sind alle außer Haus. Wenn Sie es morgen wieder versuchen würden.“
Olaf Maas und
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