Und jeder tötet, was er liebt
Vermutung, weshalb der Chef so sauer ist?“
„Am Anfang haben wir Probleme miteinander gehabt, aber bis eben dachte ich, dass sie nun bereinigt wären.“
„Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, Anna, seien Sie vorsichtig.“
Die Sekretariatsleitung wurde angepiept. „Wenn man vom Teufel spricht“, sagte Antonia Schenkenberg, stellte das Gerät auf Mithören und nahm das Gespräch an.
„Ist die Greve endlich da?“ Martin Kuhn klang alles andere als freundlich.
„Geben Sie ihm keinen weiteren Anlass, Frau Greve. Ich fände es traurig, wenn Sie uns verlassen müssten.“
Mit gemischten Gefühlen öffnete die Kommissarin die Tür zu Martin Kuhns Büro. Er sah von einer Akte auf und nickte ihr zu.
„Schön, dass wir uns auch einmal sehen. Sie sind in der letzten Zeit sehr viel außer Haus gewesen, Frau Greve.“
„Ich glaube eben nicht, dass sich Mordfälle nur vom Schreibtisch aus lösen lassen.“
Anna würde sich nicht einschüchtern lassen. Auch für ihn als ihren Dienststellenleiter bedurfte es schließlich mehr als reiner Antipathie, um einen Mitarbeiter zu entlassen. Und sie würde nicht zögern, der Kommission, sollte er denn eine einberufen, um sie abzustrafen, von seinem Vorgehen im Mordfall Lüdersen zu berichten.
„Für seine Eigenmächtigkeit bezüglich Ihres Urlaubsersuchens habe ich mit dem Kollegen Weber bereits ein paar ernste Worte geredet. In unserer Dienststelle bin immer noch ich für die Bewilligung von Sonderwünschen zuständig. Wie Sie wissen, befindet sich Herr Weber auf einer Dienstreise. Auf Ihren Schultern lastet nun die ganze Verantwortung, und ich frage mich, ob Sie dem gewachsen sind.“
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Chef, damit werde ich schon fertig.“
Martin Kuhn hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. Er stand auf und beugte sich über sie. „Ist es Ihre mangelnde Erfahrung in unserem Beruf oder die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, die für Ihre Unbekümmertheit verantwortlich ist? Verantwortlich sein heißt, in gefährlichen Situationen Entscheidungen zu treffen, bei denen es für Sie selbst und auch Ihre Kollegen um Leben und Tod gehen kann. Wann haben Sie eigentlich zuletzt von Ihrer Schusswaffe Gebrauch gemacht?“
Jetzt hatte er Annas Achillesferse getroffen, der Umgang mit Waffen war von jeher Annas wunder Punkt gewesen. Die Kommissarin vergaß sie meistens im Büro, kein noch so toleranter Chef würde das billigen. Seit sie wieder im Dienst war, hatte Anna noch keine der angesetzten Schießübungen absolviert. Wenn man von den Schüssen in Jahrmarktsbuden einmal absah, bei denen sie die ganze Familie mit Plastikrosen und anderen Gewinnen versorgte, war ihre letzte Übung und damit der letzte professionelle Schuss auf einen Pappkameraden vor vierzehn Jahren gewesen.
„Ich melde mich morgen zu einer Übung an.“
„Mit einer Stunde wird es nicht getan sein, Frau Greve. Ich werde Ihnen nicht, und sei es auch nur für ein paar Tage, die Leitung in diesem Mordfall übertragen.“
Anna biss sich auf die Lippen. „Sie entziehen mir den Fall?“
„Ich habe Ihnen Verstärkung besorgt, Hauptkommissar Sibelius ist ein erfahrener Polizist.“
„Und wer gibt in dieser neuen Konstellation die Befehle?“
„Das wird selbstverständlich der Kollege sein, so wie es bisher Kommissar Weber getan tat. Wenn Sie nun so freundlich wären, mir einen kurzen Bericht Ihrer vormittäglichen Aktivitäten zu geben.“
Anna überlegte. Sie wollte auf keinen Fall von ihrer erfolglosen Suche nach Olaf Maas berichten. Deshalb gab sie an, dem Hinweis eines Zeugen nachgegangen zu sein, in dem es um das Versteck ging, in welchem Esther Lüdersen festgehalten worden sein könnte.
„War leider eine falsche Spur, Chef.“
„Frau Greve, wir haben uns verstanden? Keine Alleingänge mehr in den nächsten Tagen. Ich schicke Ihnen nachher den Kollegen Sibelius vorbei, informieren Sie ihn bitte über den Stand der Ermittlungen.“
Martin Kuhn biss in seinen Butterkuchen und fing an zu husten. Er spuckte das Stück auf den Teller zurück, trank einen Schluck Wasser, aber das kratzende Gefühl in seinem Hals war immer noch da. Diese Greve brachte ihn zur Verzweiflung, sie war einfach nicht in der Lage, sich unterzuordnen. Vom ersten Augenblick an hatte er gewusst, dass sich mit ihr schlecht zusammenarbeiten ließe. Sie war eine arrogante Emanze, humorlos dazu. Fand bei jedem Kerl die Schwachstelle, und dann stach sie mitten hinein. Ihr Mann konnte einem leidtun. Es
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