Und kein Ende (German Edition)
Sie sie ganz mit nach Hause nehmen hatte der Arzt gesagt. Außer es kommt es was dazwischen. Ich wollte nicht, dass etwas dazwischen kam, so wie immer. Sogar mein eigenes Ich unterdrückte ich – wie schon von Jugend an. Ich hatte mich in den vier Monaten an meine neue Rolle gewöhnt. Die Tage verliefen ruhig und ohne Aufregung. Alles klappte wie am Schnürchen. Der Gedanke, dass sie bald mit ihren dümmlichen Fragen wieder Daheim sein würde beunruhigte mich im tiefsten Innern. Aber über diesen verruchten, unwürdigen Gedanken stand fest wie ein Fels mein edles Gemüt das Frau, Familie und alles was dazu gehört hoch hielt. Das hatte ich mir bei meinen Eltern wohl abgeschaut. Nachts schrieen sie sich an und am Tag demonstrierten alle eitlen Sonnenschein obwohl wir nichts zu Fressen und nichts zu Lachen hatten, geschweige denn einmal eine Urlaubreise. Als ich gestern mit meinen Eltern, meine Mutter ist heute schwer krank und mein Vater ist knapp vor der Einlieferung in die Irrenanstalt, einen Sonntagsausflug unternahm bemerkte meine Mutter, dass sie noch nie das Meer gesehen hat. Das werde ich ihr wohl ermöglichen, obwohl sie sich mit Händen (bzw. Worten) und Füßen dagegen wehren wird. „Für was braucht man den Urlaub. Unsere Gegend ist doch schön. Menschen die in Urlaub fahren können nur nicht mit sich selbst anfangen. Man muss nicht reich sein um glücklich zu sein. Solche Menschen tun mir nur Leid wenn sie zu allem Überfluss auch noch an Verfettung sterben“. Meine Mutter war und ist ein Meister im „sich die Dinge gut reden“ und mein Vater lässt das alles über sich ergehen. Tag für Tag. Wie soll man es besser machen, wenn man es nie anders erlebt hat.
„Kann ich mit ihr den Kinderwagen aussuchen“ hatte ich zuvor den Arzt gefragt.
„Ja, das geht schon in Ordnung“
Ich fuhr also im neuen, kackbraunen Wagen, mit ihr los ins nächste Geschäft mit Kleinkindartikel. Es war ein schöner Sportwagen mit Schirm den ich ausgesucht hatte. Ihr schien er auch zu gefallen.
„Manche Menschen laufen hier wie Roboter. Siehst Du den? Der kommt auch aus der Klinik. Der kam erst vor kurzem aus der geschlossenen Anstalt zu uns. Man sieht es an dem Gesichtsausdruck“
„Wir können noch einen Ausflug machen. Rebecca ist versorgt. Versuchte ich sie abzulenken. Wir können ja hoch zur Burg fahren. Da haben wir einen herrlichen Ausblick über die Stadt und können uns das Museum anschauen“
„Ich weiß nicht“
„Na komm schon. Es ist ein schöner Tag. Da oben gibt es auch eine Gartenwirtschaft. Die hat heute bestimmt auf.“
Ich hatte sie wieder einmal überredet und war’s zufrieden. Als ich mit ihr durchs Museum lief und mir die alten Möbelstücke betrachtete kam plötzlich wie wild ein Mann auf uns zugelaufen.
„Sie spinnen wohl“ schrie er uns laut an.
Alle Leute drehten sich nach uns um. Ich nahm sie nur an der Hand um der peinlichen Situation zu entgehen. Ich wusste nicht was vorgefallen war, aber ich ahnte, dass es nicht Gutes gewesen sein konnte. Der Mann rannte uns schimpfend hinterher. Aber wir konnten ihn abschütteln.
„Was war denn passiert“ fragte ich sie.
„Ich weiß nicht. Plötzlich hat er mich beschimpft. Ich hab’ gar nichts gemacht. Vielleicht kommt er ja auch aus der Klink. Ich weiß nicht was er wollte.“
Ich glaubte ihr nicht. Aber ich ließ es auf sich beruhen.
Zwei Wochen später war sie dann wieder Zuhause. Ich hatte mir für zwei Wochen Urlaub genommen um sie noch unterstützen zu können. Es war ungewohnt für mich und auf einmal war da auch wieder die Angst, dass sie wieder durchdrehen könnte, die ich in den vielen Wochen fast vergessen hatte. Bei jeder kleinsten Stimmungsänderung, die jeder Mensch mal hat, dachte ich schon es geht wieder los. Sie verstärkte das ganze auch noch dadurch, dass sie immer wieder davon sprach, dass es ihr die ganze Zeit gut ging und sie jetzt befürchtet wieder einen Rückfall zu bekommen. Ich dachte schon mit Schrecken daran, dass die zwei Wochen bald um sind und sie dann ganz allein auf sich gestellt ist. Das war aber ein Trugschluss. Sie war nicht auf ihre eigenen Kräfte angewiesen. Wo und wie es nur irgendwie ging spannte sie meine Eltern ein, die das Kind ja die ganze Zeit versorgt hatten. Heute denke ich, dass sie das ganz bewusst und aus Bequemlichkeit gemacht hatte und nicht weil sie sich Anfangs noch unsicher fühlte.
Der Sommer kam und damit die Urlaubszeit. Um sie dem Alltag zu entreißen hatte
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