Und kein Ende (German Edition)
jeden Schluck Alkohol ablehnte. Einige machten ab und an auch schon mal eine dumme Bemerkung. Das aber war nicht mein Ding. Jeder soll das tun was er will und es gibt auch keinen Grund das zu hinterfragen. Dieter stand nur in der Tür und sagte:
„Darf ich reinkommen“
„Ja, kein Problem. Darf ich Dir etwas anbieten“
„Nein. Ich bin gekommen weil ich gehört habe, dass Du momentan so viele Schwierigkeiten hast. Du warst auch schon lange nicht mehr im Training und ich dachte, dass Du vielleicht mal jemanden zum Reden brauchst. Es ist wirklich schlimm was Deiner Frau passiert ist und für Dich ist das doch bestimmt auch nicht einfach, so ganz allein sich um das Kind zu kümmern. Hast Du Hilfe?“
„Ja. Es klappt ganz gut. Meine Eltern unterstützen mich Tags über wenn ich bei der Arbeit bin. Ich wollte das Kind aber nicht ganz zu ihnen geben damit die Kleine nicht den Bezug zu mir verliert.“
„Das ist wichtig“ stimmt er mir zu.
„Aber sonst geht es mir ganz gut.“
Als er merkte, dass ich nicht so viel zu erzählen hatte machte er ganz fix einen schwenk zu seiner Person und seinen Problemen:
„Du hast bestimmt schon gemerkt, dass ich kein Bier trinke. Du musst nämlich wissen, ich bin Alkoholiker. Es fing alles ganz harmlos an. Ich war ein Manager bei einem Zigarettenhersteller, hatte zwei Kinder und ein Frau. Wir wohnten in einem großen Haus außerhalb von Hamburg. Ich dachte mir nichts dabei abends nach der Arbeit ein oder zwei Biere zu trinken. Als ich merkte, dass ich damit nicht aufhören konnte war es schon zu spät. Ich rutschte immer tiefer. Zuerst verließ mich meine Frau mit den Kindern. Dann verlor ich meine Arbeit und mein Haus. Ich wurde obdachlos und lebte in der Gosse als mich ein Sozialarbeiter auffischte. Er sagte, wenn ich so weitermache, würde ich nur noch ein Jahr leben. Ich verschaffte mir einen Platz in der Klinik und ich kam auf Entzug. Ich habe alles verloren und bin jetzt dabei mir wieder ein neues Leben aufzubauen. Ich habe wieder eine Frau und sie bekommt bald ein Kind. Wir freuen uns sehr darauf. Aber ich werde nie wieder gesund werden. Es gibt Nächte da wache ich auf und glaube durchzudrehen. Dann habe ich das Gefühl ich schaffe das nicht ohne Alkohol. Aber zum Glück ist dann da meine Frau und sie hilft mir ungemein. Manchmal, stelle ich mich einfach vor dem Spiegel und sage: ‚Du hast es gestern geschafft und Du wirst es heute auch schaffen’ und dabei zwinkere ich mir zu.“
Ich bin ein guter Zuhörer und er schüttete bei mir sein Herz aus. Ich hatte damit kein Problem, aber aus seinen Erzählungen konnte ich für mich keine Hilfestellungen ableiten. Ich musste nur für mich feststellen, dass es Menschen gab die in einer funktionierenden Partnerschaft lebten, dort Hilfe finden und gemeinsam den Wunsch haben eine Familie zu gründen. Er saß fast bis Mitternacht und erzählte. Wir verabschiedeten uns. Ich hatte mit Niemanden über seinen Besuch geredet. Ich ging auch zukünftig nicht anders auf ihn zu wie zuvor. Irgendwann, viel später, meinte er im Beisein von anderen, dass ich ein egoistischer und eigensinniger Mensch sei, der aufpassen müsste, dass er nicht einmal unter die Räder kommt, weil er nur seine Arbeit kennt und nicht auf Menschen zugeht. Ich verstand nicht was er wollte. Ich hatte mir seine Sorgen klaglos angehört obwohl ich selbst genug Scheiße am Hals hatte. Ich habe ihm meine Aufmerksamkeit geschenkt und seine persönlichen Probleme niemanden anders erzählt. Ich wusste nicht was ich ihm getan hatte.
Sie schien sich in der Zeit dort in der Klinik mit allen möglichen Patienten anzufreunden. Sie erzählte immer lebhaft von den einzelnen Schicksalen der einzelnen, die nach einem Unfall plötzlich in Depressionen verfallen waren und mit denen man sich für die Zeit danach schon verabredet hatte. Oder von einer Frau, die es so schlimm erwischt hatte nachdem ihr Mann auf und davon war. Diese Leute waren ihr alle wichtig. So richtig aus der Fassung brachte mich aber eine Geschichte die sie mir an einem Sonntag erzählte als mir ein junger, langhaariger Mann auffiel, der sich ständig in unserer Nähe aufhielt.
„Das ist Norbert“ sagte sie „Er war eigentlich Mathematikstudent der aber den Stress nicht mehr verkraftete. Er hat dann umgeschult zum Floristen. Trotzdem leidet er immer wieder an Depressionen. Ich war mit ihm schon öfter in der Stadt. Er ist so nett. Er findet meine Haare so schön und würde gerne mir einen Zopf
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