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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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war
und viele weitere Jahre sein würde.
    «So habe ich das eigentlich
noch nie gesehen, aber... ja, Sie könnten Recht haben, Sergeant Lewis.»
     
    Nachdem Morse dem Maiden’s
Arms mitsamt seinem ungewohnt stummen Spielautomaten den Rücken gekehrt
hatte, machte er sich auf den Weg zu Allen (sic!) in Lower Swinstead.
Die Adresse hatte er von Alf, der gesagt hatte, der Junge sei bestimmt nicht
«auf Arbeit», der habe in seinem Leben noch keinen Handschlag getan.
    Alfs Voraussage erwies sich als
richtig.
    Das schäbige Zimmer war
unordentlich und voller Staub, auf dem Fernseher standen drei leere Bierdosen,
auf der Lehne des einzigen Sessels kippelte ein überquellender Aschenbecher.
Allerdings war Thomas (dessen Ähnlichkeit mit Roy Holmes für Morse jetzt ganz
offenbar war) im Vergleich zu seinem rüden Bruder ein Muster an Umgangsformen,
sodass Morse diesem unrasierten Individuum gegenüber fast so etwas wie
Zuneigung empfand.
    «Wie oft haben Sie Kontakt mit
Ihrem Vater?», begann er.
    Die Zigarette, die zwischen den
schlaffen Lippen gebaumelt hatte, fiel zu Boden. Der junge Mann hob sie zwar
rasch wieder auf, aber das Unglück war geschehen. Thomas wusste es. Und Morse
wusste es. Und es dauerte nun nicht mehr lange, bis der Junge mit der Wahrheit
— oder zumindest der halben Wahrheit — herausrückte.
    Ja, Elizabeth Holmes war seine
leibliche Mutter.
    Ja, Roy Holmes war sein
Stiefbruder, vielleicht aber auch sein leiblicher Bruder, das wusste er nicht
genau. Echt nicht.
    Ja, er hatte Kontakt zu seinem
leiblichen Vater, und sein leiblicher Vater hatte Kontakt zu ihm. Ja, Frank
Harrison. Seit wann er das wusste? Immer schon.
    Nein, sein Vater hatte ihm nie
Geld für den Daddelkasten gegeben.
    Nein, sein Vater hatte nie
gebeten, regelmäßig über die Ermittlungen im Mordfall Harrison informiert zu
werden.
    Nein, in letzter Zeit hatte er
weder mit seinem Vater noch mit seiner Mutter noch mit seinem Bruder Kontakt
gehabt.
    Als Morse sich schließlich auf
den Rückweg machte, lächelte er leise vor sich hin, denn für ihn stand nun
zweifelsfrei fest, dass das Neinneinnein in Wirklichkeit ein Jajaja gewesen
war.
     
    In dem locker koordinierten
Schlachtplan, den sie miteinander abgesprochen hatten, war der letzte Auftrag
für Lewis, Genaueres über die Kontenbewegungen und geschäftlichen Aktivitäten
von Frank Harrison in Erfahrung zu bringen. Es war ein unerwartet heikles, aber
auch unerwartet aufregendes Unterfangen, wie Lewis feststellte, nachdem er die
Sainsbury-Einkaufstüte samt Inhalt am späten Nachmittag im Büro des Chief
Inspector deponiert hatte. Er rief im Londoner Büro der Swiss-Helvetia Bank an,
wo er erstaunlich schnell zum Geschäftsführer durchdrang, der ihn ersuchte,
sich möglichst umgehend nach London zu begeben.
    Lewis machte sich sofort auf
den Weg, freudig entschlossen, die Sirene einzusetzen, wenn er in den
unvermeidlichen Staus der Hauptstadt stecken blieb.
     
    Morse nahm die roten Turnschuhe
aus der Tüte und stellte sie auf Simon Harrisons Schreibtisch.
    «Sind das Ihre?»
    «Wie bitte? Was für Tiere?»
    Das Gespräch würde nicht
einfach werden, allerdings hielt es Morse für durchaus denkbar, dass ein
Schwerhöriger, besonders ein listenreicher Schwerhöriger, hin und wieder
Unverständnis heucheln mochte, um für eine peinliche Frage länger Bedenkzeit zu
haben.
    «Was für einen Wagen fahren
Sie, Mr. Harrison? Einen Toyota?»
    «Nicht ein Jota? Wovon,
Inspector?»
    «Llandudno. Sagt Ihnen das
was?»
    «Macht mir Spaß? Was denn?»
    «Schluss mit den Mätzchen»,
sagte Morse ruhig. «Am besten fangen wir noch mal von vorn an.» Er deutete auf
die Laufschuhe. «Sind das Ihre?»
    Und es dauerte nun nicht mehr
lange, bis der junge Mann mit der Wahrheit — oder zumindest der halben Wahrheit
— herausrückte.
    Simon hatte als Halbwüchsiger
den Maurer oft gesehen, Barron hatte häufig im Haus gearbeitet, unter anderem
einen größeren Umbau im Patio vorgenommen. Oft hatte er Barron in der Küche
angetroffen, wo er mit seiner Mutter Kaffee trank, und hatte deutlich gespürt,
dass Barron scharf auf sie war. Eifersüchtig? Ja, er war eifersüchtig gewesen.
Und auch wütend, weil seine Mutter ihm einmal anvertraut hatte, Barron sei
eigentlich ein ziemlich mieser Typ.
    Dann war vor kurzem das
Interesse an dem Mord an seiner Mutter wieder aufgelebt und damit auch Simons
Hass auf Barron.
    Ja, die Turnschuhe hatte er
gekauft — für 70 Pfund! Nein, er war an dem Montagmorgen nicht

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