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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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zuzuordnen?»
    «Nein.»
    «Oder einem bestimmten Ort?»
    «Nein.»
    Dixon war kein besonders heller
Kopf. Morse hatte ihn sogar einmal unbarmherzig als «die trübste Tasse der
Thames Valley Police» bezeichnet. In fünf Jahren wurde er pensioniert. Dass
seine kürzlich erfolgte Beförderung zum Sergeant die höchste Stufe war, die er
erreichen konnte, war ihm durchaus klar. Aber schließlich war auch das keine
schlechte Leistung für einen Jungen, der zu Hause und in der Schule kaum
gefördert worden war. Wenn ich was aus mir gemacht hab, dann hab ich es selber
gemacht, so hatte er es einmal formuliert. Kein sehr eleganter Satz, aber
Eleganz war etwas, was man mit Sergeant Dixon sowieso nicht in Verbindung
brachte.
    Heute aber dachte er, auf seine
ausgelatschten schwarzen Stiefel in Übergröße starrend, so angestrengt nach wie
seit vielen Monden nicht mehr. Dass die Ermittlung, die er führte, wichtig war,
hatte er sehr rasch begriffen, und dass man ihn damit beauftragt hatte, erfüllte
ihn mit Genugtuung. Er dachte, wie schön es wäre, wenn er seine Vorgesetzten
mit dem Ergebnis beeindrucken könnte, was ihm in seiner bislang recht farblosen
Karriere kaum je gelungen war.
    Und deshalb nahm er sich Zeit,
schrieb in dem kleinen Postamt in aller Ruhe ein paar Worte in sein schwarzes
Büchlein und dann noch ein paar, stellte die nächste Frage und noch eine...
    Als Sergeant Dixon nach Oxford
zurückfuhr, war er sehr mit sich zufrieden.
     
    Der Brief samt Umschlag
beschäftigte Chief Superintendent Strange nach wie vor nachhaltig, aber zu
Aufregung bestand offenbar kein Anlass. Am späten Vormittag war er zur
Spurensicherung nach St. Aldate’s gefahren, wo man ihm erklärt hatte, dass man
dort wenig zur Aufklärung würde beitragen können. Von den schwachen,
verschmierten Fingerabdrücken erhofften sich die Experten nichts. Der Umschlag
war durch die Hände des Briefschreibers gegangen, des Postfahrers, der den
Briefkasten geleert hatte, des Sortierers, des Briefträgers, der den Brief
ausgetragen hatte, eines Mitarbeiters der Poststelle im Präsidium; Stranges
Sekretärin und Strange selbst hatten ihn in der Hand gehabt und und und. Wie
viele Hände alles in allem?
    Abgehakt?
    Abgehakt.
    Handschrift? Nur die roten
Druckbuchstaben auf dem Umschlag. Lohnte es, durch einen unterbeschäftigten
Graphologen die potenzielle Kriminalität des Briefschreibers abschätzen zu
lassen, nach möglichen Zeichen kindlicher Verwahrlosung, elterlicher
Misshandlung, sexueller Perversion, Drogensucht zu fahnden?
    Abgehakt?
    Abgehakt.
    Die Schreibmaschine? Gott im
Himmel! Wie viele Schreibmaschinen gab es wohl in Oxfordshire? Strange vertrat
sowieso die Auffassung, dass in den ersten Jahren des neuen Millenniums in den
britischen Großstädten überalterte Schreibmaschinen, Monitore, Computer und dergleichen
noch und noch am Straßenrand stehen würden. Wie sollte er da einer sichtlich
altehrwürdigen mechanischen Schreibmaschine mit müdem, abgeschlafftem
rotschwarzem Farbband auf die Spur kommen? Ebenso gut konnte er versuchen, der
Inventarliste der Arche Noah habhaft zu werden.
    Abgehakt?
    Abgehakt.
    Was Strange brauchte, war ein
Ideenschub.
    Was Strange brauchte, war
Rückenstärkung durch Chief Inspector Morse.
     
     
     
     

Kapitel
11
     
    Merkt,
ihr Herren, welch treues Herz!
    Denn
offen saht ihr’s. Lest dies durch
    und
darauf dies; und dann zum Morgenimbiss
    mit
soviel Esslust euch noch bleibt.
    (Shakespeare, Heinrich der Achte)
     
    Detective Sergeant Lewis,
Thames Valley Police, war trotz einer täglich mit großen Mengen von Cholesterin
angereicherten Ernährung körperlich erstaunlich fit. Es kam eben, wie er zu
sagen pflegte, beim Essen auf die Zusammenstellung an. So hatte er zum Beispiel
oft gehört, dass Kaviar am bekömmlichsten sei, wenn man ihn mit eiskaltem
Champagner hinunterspülte. Diesen Lehrsatz konnte er aus eigener — allerdings
auf kulinarisch niedrigerem Niveau angesiedelten — Erfahrung bestätigen: Zu
Setzei gehörten zwingend Pommes frites und HP-Würzsoße und zu einem
ordentlichen Frühstück Speck, in Butter gebratene Pilze, Hebevoll gegrillte
Tomaten und weiches, in der Pfanne gebratenes Brot. So sah denn auch die
Stärkung aus, die ihm Mrs. Lewis am Montag, dem 20. Juli 1998, um 7 Uhr 15 an
den Küchentisch brachte.
    Es dürfte deshalb für den Leser
keine Überraschung sein, dass Sergeant Lewis angenehm voll gegessen war, als er
kurz vor acht von Headington über die Ringstraße zum

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