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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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hakte Morse vorsichtig nach.
    Der bisher so beredte,
offenherzige Geschäftsführer wirkte jetzt ein bisschen unsicher.
    «Es ist nicht ganz einfach zu
erklären, aber... er ist nie so richtig mit dem Funk zurechtgekommen. Trotz
aller moderner Technik ist Sprechfunk für Taxifahrer immer noch sehr wichtig.
Sie wissen ja, wie das läuft: Wir rufen von der Zentrale aus an und fragen
einen Fahrer, ob er gerade in der Nähe von Headington oder Abingdon Road oder sonst
wo ist... Wohlgemerkt, so einfach ist der Umgang mit dem Funkgerät gar nicht,
es gibt Verzerrungen, atmosphärische Störungen, Knistern, Feedback,
Verkehrslärm... Da muss man schon seine fünf Sinne beisammen haben, und er hat
es einfach nicht gepackt.»
    «Ein handfester
Entlassungsgrund scheint mir das aber nicht zu sein.»
    «Ganz so läuft das nicht bei
mir. Die Fahrer sind in meinem Unternehmen nicht fest angestellt, sie arbeiten
in einem Vertragsverhältnis. Angenommen, einer hat ein Taxi oder mehrere Taxis
bei mir laufen, und ich sage zu ihm: Hör mal, ich hab keine Arbeit mehr für
dich — ja, dann ist die Sache gegessen. Das ist wie bei Subunternehmern am Bau.
Wenn ich einen meiner Mitarbeiter im Büro entlassen will, muss ich ihn vorher
einmal mündlich und zweimal schriftlich verwarnt haben.»
    «Mit Flynn aber gab es keine
Probleme?»
    «Nein, und ich war froh, als er
weg war. Die anderen auch. Heute hier, morgen dort...»
    «...und dann fort», ergänzte
Morse nachdenklich, bedankte sich bei dem Geschäftsführer und spürte das
vertraute Kribbeln der Erregung, das ihm über den Rücken lief.

Kapitel
53
     
    Zu
jener Zeit gab es in der Marine den Gentleman und den Seemann. Der Seemann aber
war kein Gentleman und der Gentleman war kein Seemann.
    (Macauley, Englische Geschichte)
     
    Für Morse verlief der frühe
Abend nach gewohntem Muster: dieselbe Vielzahl von Ideen, die sich in seinem
Kopf drängten; dieselbe fiebrige Ungeduld, zu jenem wunderbar befriedigenden
Endpunkt zu gelangen, an dem ihm das große Kirchenlicht aufging; dieselbe
pessimistische Einstellung, was die Zukunft der Menschheit betraf; dieselbe
Gier nach einem Schluck Scotch, dessen wohltätige Wirkung die Welt wenigstens
eine Weile freundlicher und glücklicher aussehen ließ. Derselbe Fahrer:
Sergeant Lewis.
    Kurz nach halb sieben stiegen
sie eine wacklige Wendeltreppe hoch in das kleine Büro über der Wirtsstube des Maiden’s
Arms. An den Wänden hingen gerahmte Diplome, die dem Fachwissen des Wirts
und den hygienischen Verhältnissen seiner Küche hohes Lob zollten. Die unordentlichen
Brief- und Formularstapel auf dem Schreibtisch allerdings ließen darauf
schließen, dass er den Papierkram seines gastronomischen Betriebs weniger
gewissenhaft erledigte.
    «Einen Schluck auf die
Schnelle, Inspector?»
    «Später vielleicht.»
    «Was dagegen, wenn ich...
äh...» Biffen langte hinter sich und schenkte sich einen großzügigen Schuss
Captain Morgan ein. «Sie machen mich nervös.» Er kippte den Rum auf einen Zug
und schmatzte krude. «Aahh!»
    «Kriegs- oder Handelsmarine?»,
fragte Morse.
    «Von beidem etwas.» Biffen
schien nicht geneigt, über seine Jahre auf See zu sprechen, sondern kam sofort
zur Sache. «Was kann ich für die Herren tun?»
    Da derzeit, sagte Morse, das
Dorf offenbar mal wieder im Mittelpunkt des Interesses stand, das Pub wiederum
Mittelpunkt des dörflichen Lebens samt Klatsch und Tratsch und der Wirt
bekanntlich immer der Mittelpunkt des Pubs war...
    Auf Lewis wirkte die Befragung,
die der Chief Inspector vornahm, erstaunlich plan- und ziellos.
    Allerdings hatte Biffen auch
wenig zu sagen.
    Natürlich hatten die
Dorfbewohner geredet, sie redeten immer noch — nur nicht vor den Medien oder
der Polizei. Allerdings war es kein Geheimnis, dass die Hiesigen so manches
über die mal mehr, mal weniger kurzlebigen Liebschaften von Mrs. H. gewusst
hatten. Und sie hatten sich gierig an den Gerüchten — je wilder und saftiger,
desto besser — gütlich getan, die über die sexuellen Neigungen von Mrs. H. in
Umlauf waren.
    Lewis blieb es überlassen, die
entscheidenden Fragen zu den Alibis zu stellen.
    Der Tag, an dem Mrs. H.
ermordet worden war? Das war ein Dienstag gewesen, und der Dienstag war, wie er
bereits ausgesagt hatte, sozusagen sakrosankt. Sein einziger freier Tag, an dem
ihm Kellerpflege, Bierzapfen und Küchenarbeit gestohlen bleiben konnten. Er war
Sekretär des Hechtangelvereins von Oxfordshire, seit fünf Jahren schon.
Ehrenamtlich. Und

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