Und kurz ist unser Leben
während der Angelsaison war er jeden Dienstag draußen, vom
Morgengrauen bis in die Abenddämmerung. Fast immer kam er spät zurück, konnte
allerdings nicht mehr sagen, wann er an dem bewussten Tag wiedergekommen war.
Damals hatte ihn keiner danach gefragt, wozu auch. Bestimmt hatte er ein paar
Anglerfreunde getroffen, aber... was, zum Teufel, sollte das überhaupt? Gehörte
er plötzlich zu den Verdächtigen? Nach der ganzen Zeit?
Thomas Biffens Blick war hart
geworden, und Ex-Boxer Sergeant Lewis dachte bei sich, als er die muskulösen,
mit Tätowierungen bedeckten Arme sah, dass er dem Wirt in einer Sackgasse nur
ungern begegnen würde.
Ob er Familie habe, wurde
Biffen gefragt. Ja und nein. Er war verheiratet gewesen, war es vor dem Gesetz
immer noch. Aber vor vier Jahren war seine Alte abgehauen und hatte die beiden
Kinder mitgenommen, die damals dreijährige Joanna und den zweijährigen Daniel.
Er unterstützte sie nach wie vor finanziell und schickte den Kindern regelmäßig
was zum Geburtstag und zu Weihnachten. Nein, Probleme hatte es da eigentlich
nie gegeben. Sie wohnte mit einem Typ, den sie schon lange kannte, in
Weston-super-Mare, demselben Typ, mit dem sie damals abgehauen war.
«Wer war schuld?», fragte Morse
leise.
Biffen zuckte die Schultern.
«Meist liegt’s ja ein bisschen an beiden.»
«Sie war also fremdgegangen?»
Biffen nickte.
«Und Sie auch?»
Biffen nickte.
«Mit einer Frau von hier?»
«Na und?»
Diesmal zuckte Morse die
Schultern.
«Na ja... manchmal muss man
eben die Sau rauslassen.»
«Mrs. Harrison?»
Biffen schüttelte den Kopf.
«Aber ich hätt nichts dagegen gehabt.»
«Mrs. Barron?»
«Die Linda? Bei der wär ich
nicht angekommen, der Mann war schließlich bei ‘ner Spezialeinheit. Wenn man
mit dem seiner Frau rumgemacht hätte, wär man wahrscheinlich den Schwanz
losgeworden.»
Lewis dachte an das Foto des
selbstbewusst blickenden jungen Milizionärs.
«Debbie Richardson?», fragte
Morse weiter.
«Mit der hatten die meisten mal
was.»
«Waren Sie manchmal bei ihr,
während Harry im Knast war?»
«Ein-, zweimal.»
«Auch an dem Tag nach dem
Mord?»
«Ich wollte nur ‘ne Flasche
hinbringen, das hab ich ja schon erzählt.»
«Sie waren scharf auf Debbie?»
«Wer wär das nicht? Wenn die
mal loslegt...»
Es schien, als habe Morse die
Orientierung verloren, und Lewis übernahm den Rest der Befragung. «Wo waren Sie
an dem Freitag, an dem Flynn und Repp ermordet wurden?»
«Vormittags war ich in Oxford
einkaufen. Ohne viel Erfolg. Hab zwei Geburtstagsgeschenke gesucht. Sie
werden’s nicht glauben, aber meine Kinder sind beide am gleichen Tag geboren,
am 3. September.»
«So ein Zufall.»
«Kommt drauf an, Sergeant. Man
könnt’s auch ‘n Präzisionsschuss nennen.»
Morse verzog angewidert das
Gesicht.
«Und weil in den Läden nichts
Vernünftiges zu finden war», fuhr Biffen fort, «hab ich der Mutter einen Scheck
geschickt.»
Als sie nach unten in den
Schankraum gingen, stellten sie fest, dass wegen der frühen Stunde nicht viel
Betrieb war. Nur drei Stammgäste hatten sich schon eingefunden, die Biffen wie
gewohnt begrüßte.
«‘n Abend, Mr. Bagshaw, ‘n
Abend, Mr. Blewitt.»
Einer der Streithähne nickte
flüchtig, der andere aber intonierte fröhlich eine Lieblingspassage aus der
Cribbage-Litanei: «Fünfzehn-zwei; fünfzehn-vier; zwei sind sechs, drei sind
neun, und drei sind zwölf.»
Mit einem «‘n Abend, Mr.
Thomas» schloss der Wirt seine Begrüßungsrunde ab.
Statt einer Antwort drückte der
junge Mann wieder auf den Startknopf und verfolgte konzentriert die neueste
Anordnung der Symbole im Fenster des Spielautomaten.
«Was darf’s sein, die Herren?
Geht aufs Haus.»
«Ein Pint Bier», sagte Morse,
«und einen Orangensaft. Mit Eis, Lewis?»
Eine gelangweilte Schankdame
legte den Mirror zusammen und griff zum Zapfhebel für Burton Ale.
Kapitel
54
Damals,
als du der Stadt im Kampf den Sieg errungen.
Trugen
zum Markt wir mit Triumph dich und Applaus,
Dort
haben Klein und Groß mit Jubel dich besungen,
Auf
unsren Schultern brachten wir dich dann nach Haus.
Heut
schreiten nun die Läufer durch die Straßen,
Hoch
auf den Schultern tragen wir dich heimwärts zu,
Auf
deiner Schwelle wollen wir dich niederlassen
Als
Bürger einer stilleren Stadt kommst du zur Ruh.
(A.
E. Housman, A Shropshire Lad, XIX)
Mittlerweile war es halb acht
geworden, und sie standen auf dem Parkplatz des Maiden’s Arms.
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