Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
ziemlich anstrengend sein.
Allerdings spreche ich nicht aus eigener Erfahrung.»
    «Mir macht es Freude.»
    «Wer kümmert sich heute um
sie?»
    «Ja, also... äh... Bekannte,
eine Nachbarin. Es dauert ja nicht lange.»
    «Nein.»
    Morse wandte sich ab und folgte
Strange zum Parkplatz.
    Natürlich wusste er, dass sie
log: Heute war — ebenso wie an dem Tag, als Sergeant Lewis die Familie besucht
hatte — nur eins der Barron-Kinder zu Hause. Die ältere Tochter, Alice, war
anderswo untergebracht, soviel hatte Lewis am Vortag vom Hausarzt der Barrons
erfahren, allerdings nicht viel mehr, und Morse ahnte warum. Damit hatte er für
ein weiteres Stück des Puzzles die richtige Stelle gefunden.
    «Hallo! Chief Inspector Morse,
nicht wahr? Meine Tochter hat mir erzählt, dass sie neulich mit Ihnen
gesprochen hat. Aber vielleicht kennen Sie mich nicht.»
    «Sagen wir so: Wir sind
einander noch nicht vorgestellt worden, Mr. Harrison.»
    «Also kennen Sie mich doch. Ich
kenne Sie natürlich, und Sergeant Lewis hat mich, wohl auf Ihre Anweisung hin,
aufgesucht.»
    «Das ist richtig.»
    «Ich weiß, dass Sie selbst nach
dem Mord an meiner Frau nicht in die Ermittlungen eingeschaltet waren, aber...
äh...»
    Harrison war gut acht
Zentimeter größer als Morse, der mit einigem Unbehagen in die harten grauen
Augen sah, die auf ihn herab blickten.
    «...aber ich habe von Ihnen
gehört. Yvonne hat mehrmals von Ihnen gesprochen. Meine Frau hat Sie gepflegt,
als Sie im Krankenhaus waren, vielleicht erinnern Sie sich...»
    Morse nickte.
    «Yvonne hatte große Sympathie
für Sie. , so hat sie es formuliert, wenn ich
mich recht erinnere. Man könne interessante Gespräche mit Ihnen führen, hat sie
gesagt, und Sie hätten eine nette Stimme. Yvonne wollte Sie zu einer ihrer — äh
— Soireen einladen. Natürlich in meiner Abwesenheit.»
    «Das will ich stark hoffen. Wer
will in so einer Situation schon Konkurrenten dabei haben...»
    «Hatten Sie Konkurrenten?»
    «Ich bin Yvonne danach nur noch
einmal begegnet — im Maiden’s Arms», sagte Morse leise und sah aus
blauen Augen ungerührt zu Harrisons glatt rasiertem Gesicht hoch.
     
    Während Strange mit einiger
Mühe seinen massigen Leib zwischen Sitz und Lenkrad zwängte, stellte Morse mit
einem raschen Blick nach hinten fest, dass fast alle Trauergäste fort waren.
Nur Linda Barron stand noch da und unterhielt sich offenbar angeregt mit Frank
Harrison. Beide traten zur Seite, als der nächste schwarze Daimler mit dem
nächsten hellbraunen, mit Lilien bedeckten und mit blinkenden Griffen
bestückten Sarg elegant vor der Kapelle zum Stehen kam.
    Morse war mit seinen Gedanken
noch bei der Beerdigung. «Möchte wissen, warum der aufgekreuzt ist.»
    «Frank Harrison? Warum nicht?
Er wohnt im gleichen Dorf, Barron hat bei ihm im Haus gearbeitet...»
    «Er wusste, dass seine Frau mit
Barron geschlafen hat.»
    «Anschnallen, Morse!»
    «Ehe wir losfahren, möchte
ich...»
    «Anschnallen, Morse, verflixt
noch mal.»
    Morse sah, ohne sich
anzuschnallen, stur geradeaus und führte den angefangenen Satz zu Ende. «Ehe
wir losfahren, möchte ich noch etwas sagen. Es geht um Lewis. Ich werde den
Eindruck nicht los, dass er sich in den Kopf gesetzt hat, ich hätte was mit
Yvonne Harrison gehabt.»
    Jetzt sah auch Strange stur
geradeaus.
    «Denken Sie etwa, das wüsste
ich nicht?», fragte er leise.
     
     
     
     

Kapitel
60
     
    Gedenke
an den Bund; denn das Land ist allenthalben jämmerlich verheeret , und die Häuser sind
zerrissen.
    (74.
Psalm, V. 20)
     
    In Charlton Kings, einem Vorort
östlich von Cheltenham, war Sergeant Lewis gewissenhaft den Angaben auf der
Straßenkarte gefolgt (er liebte so was), hatte sich, rechts von der A40
abbiegend, durch ein Labyrinth von Wohnstraßen bis zu der weiß gekalkten Mauer
vorgearbeitet, wo auf einem Schild neben dem Backsteintor zu lesen war:
«Schwestern des Heiligen Bundes: Grundschulinternat für Mädchen», und war über
die kurze gekieste Auffahrt gerollt, die zu einer großen Villa im
georgianischen Stil führte.
    Ziel erreicht. Und wenig später
auch Auftrag ausgeführt.
    Nach ein paar zusätzlichen
Hinweisen von Morse hatte Lewis wenig Mühe gehabt, das Bild weitgehend zu
ergänzen. Der Hausarzt der Familie Barron hatte gute und durchaus angemessene
berufliche Gründe für seine Zurückhaltung gehabt. Von anderer Seite aber hatte
Lewis bereitwillig Unterstützung und Informationen bekommen, so vom Sozialamt
Burford,

Weitere Kostenlose Bücher