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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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dem Nationalen Gesundheitsdienst, der Leiterin der Dorfschule, dem
katholischen Pfarrer und der Ordensschwester mittleren Alters in
schokoladenbraunem Habit und weißer Haube, die ihn schon erwartete und mit
seinen kurzen, gezielten Fragen wenig Mühe hatte.
    Fünf Ordensschwestern kümmerten
sich um das körperliche und geistige Wohl der derzeit achtzehn Mädchen zwischen
vier und elf Jahren, denen man aus den verschiedensten Gründen — Armut,
Gleichgültigkeit, Kriminalität, Grausamkeit — in ihren Familien das Leben
schwer gemacht hatte. Die Schule finanzierte sich aus einer bescheidenen
Stiftung, verfügte aber nur über begrenzte weltliche Güter, galt deshalb als
Privatschule und verlangte der Mehrzahl der Eltern ein Schulgeld zwischen 1500
und 1500 Pfund im Trimester ab.
    Ja, die inzwischen sechsjährige
Alice Barron war eine ihrer Schülerinnen, die Mutter hatte sie hergeschickt.
Sie war missbraucht worden — wohl nicht sexuell, aber körperlich und psychisch.
    Nein, Alice gehörte nicht zu
unseres Herrgotts hellsten Köpfen, in mancher Beziehung war sie ziemlich weit
zurück, was sicherlich teilweise — aber eben nur teilweise — auf die häusliche
Umgebung zurückzuführen war. Die jüngere Schwester war (wie die Lehrkräfte
erfahren hatten) blitzgescheit, und möglicherweise ließ sich das dadurch
erklären, dass ein ungeduldiger, anspruchsvoller, aggressiver Elternteil...
    «Sie meinen den Vater?»
    «Da legen Sie mir etwas in den
Mund, Sergeant...»
    «Wenn Sie etwas von
Pferdewetten verstehen würden — was natürlich nicht der Fall ist...»
    «Meinen Sie?» In den Augen der
Ordensschwester blitzte der Schalk. «Angenommen, ich verstünde etwas davon,
würde ich keine großen Summen auf die Mutter setzen.»
    «Wie werden die Rechnungen für
die Schule beglichen?»
    «Ich habe nachgesehen, weil Sie
mich darum gebeten hatten. Mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen, aber ich
vermute, dass sie in bar bezahlt werden.»
    «Ist das nicht ungewöhnlich?»
    «Ja, durchaus.»
    «Weiß Alice, dass ihr Vater tot
ist?»
    «Nein, noch nicht.»
    «Glauben Sie, dass diese
Sache...»
    «Schwer zu sagen. Sie macht
Fortschritte, soviel steht fest. Inzwischen nässt sie das Bett nicht mehr ein
und schreit nachts nicht mehr so laut.»
    «Was würden Sie darauf wetten,
dass sie...»
    «Als Buchmacher würde ich
fifty-fifty abschließen.»
    Bei der Rückfahrt über die A40
wurde Lewis den Verdacht nicht los, dass er, was Pferderennen (und
wahrscheinlich auch das Leben) betraf, höchstens ein Viertel von dem wusste, was
in Schwester Benedictas Erfahrungsschatz gesammelt war.

Kapitel
61
     
    Hand :
Handschrift, Art zu schreiben.
    Shakespeare, Maß für Maß: Hier sind Hand und Siegel des Herzogs. Ihr kennt die
Schrift, so denke ich wohl.»
    ( Small’s
Enlarged English Dict., 18.Ausg.)
     
     
    Im Präsidium fand Lewis eine an
ihn persönlich gerichtete handschriftliche Notiz:
     
    Besuch
Krem, lohnend. Ein, zwei interessante Gespräche, ein, zwei neue Ideen. Der
Super und ich setzen uns noch auf ein oder zwei Pints zusammen. Sagen Sie allen,
die mich haben wollen, dass ich zur Mittagspause gegangen und vor morgen früh —
nein, Montag früh nicht zu sprechen bin. M.
     
    Es war die kleine, saubere
Schrift von Morse, die genauso unverkennbar war wie die große, dünne, nach
Steuerbord geneigte und oft nur schwer leserliche Handschrift von Chief
Superintendent Strange.
    Lewis war davon nicht
betroffen. Er würde einen Bericht über seine sehr befriedigende vormittägliche
Arbeit schreiben, und dann würde er sich zurücklehnen und den Fall in aller
Ruhe verdauen, denn das Repp-Flynn-Barron-Rätsel war jetzt offenbar zur Gänze
gelöst. Es hatte sich herausgestellt, dass Linda Barron das Schweigegeld
kassiert und offenbar ihrem Mann gedroht hatte, ihn vor dem Sozialamt, dem
Dorf, der Polizei, der Presse als Kinderschänder bloßzustellen, falls er
versuchen sollte, etwas davon für sich abzuzweigen. Es war ihr bitterernst
damit gewesen. Und Barron hatte sich gefügt.
    Ja...
    Die großen Momente dieses
Falles waren vorüber, und der Sergeant rief Mrs. Lewis an und bat sie, die
Frittenpfanne eine halbe Stunde früher rauszuholen.
    Ja...
    Sein Selbstvertrauen hatte sich
— trotz gelegentlichen Ärgers mit Dixon — im Lauf der Ermittlungen stetig
weiterentwickelt. Da gab es nur diese eine Sache, die ihn schon seit geraumer
Zeit zugleich faszinierte und beunruhigte. Sehr bald würde er sich dazu
aufraffen müssen, Morse

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