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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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wieder vergessen.«
    »Ein Typ, der ’ne Kassette mit sich rumschleppt und durch die Stadt fährt, um dich zu suchen?«
    Manchmal dachte Sabine doch mehr wie ein richtiges Mädchen.
    »Warum sollte er mich denn wiedersehen wollen? Der ist achtzehn, sicher steht er auf ganz andere Mädchen als mich. Und sicher hat er auch schon ’ne Freundin. Er war nur höflich, das ist alles. Und jetzt sollten wir wirklich gehen, heute Morgen haben wir Geschichte, die Nöthen ist auch nicht besser als Kowalsky!«
    Das Argument zog bei Sabine. Geschichte war nicht wirklich ihre Sache, vergeblich bemühte sie sich, eine Eins zu bekommen, doch auch in diesem Jahr hatte es nur für eine Zwei gereicht.
    Wir eilten also zur Bahn, und ich hoffte, dass sie mit dem, was sie gehört hatte, zufrieden war und mich nicht den ganzen Tag über löcherte. Denn ich brauchte die Momente, um mir vorzustellen, was Claudius jetzt tun würde.

School’s Out (For Summer)
30. Juni 1989
Claudius
    »Hier, Junge, die Zeitungen stapelste hier rin«, sagte die Kioskbesitzerin und deutete auf das lange Regal neben dem Fenster, in dem sich Frauen-, Motor-, Handarbeits- und Kinderzeitschriften drängten. Auch
Bravo
,
Popcorn
und
Pop Rocky
gab es hier, obendrein Herrenmagazine mit großbusigen Frauen auf dem Titel.
    Frau Kraushahn drückte mir allerdings nur Tageszeitungen in die Hand. Die meisten von ihnen berichteten auf der Titelseite immer noch von der Grenzöffnung in Ungarn und den Strömen von ausreisewilligen DDR -Bürgern, die täglich zahlreicher wurden.
    Aber Frau Kraushahn schien das nicht sonderlich zu interessieren. Schon seit vielen Jahren unterhielt sie den Kiosk in der Potsdamer Straße, der mittlerweile auch als Laden und Imbiss fungierte. Stets trug sie eine blaue Kittelschürze, Kunstfaser-Hosen und Latschen an den Füßen. Ihre Dauerwelle hatte sie mit Wicklern so aufgedreht, dass sie wie Kupferspulen auf ihrem Kopf aufgereiht waren.
    Ihre Kunden, meist Mechaniker aus der nahegelegenen Autowerkstatt, Bauarbeiter und die Frauen aus einer Wäscherei in der Nähe, begrüßte sie stets freundlich und mit dem neuesten Klatsch aus dem Viertel.
    Ich hatte meinen Vater mit meiner Ankündigung, in einem Laden in der Nähe arbeiten zu wollen, ziemlich geschockt. Dafür war ich sogar extra früh aufgestanden, um ihn noch am Frühstückstisch zu erwischen.
    »Nanu, Junge, du bist schon auf?«, bemerkte er spöttisch zwischen zwei Schluck Kaffee.
    »Ja, ich will mir einen Job suchen.«
    Er interpretierte das so, dass es sich um einen Ferienjob handelte, da er ja immer noch der festen Überzeugung war, dass ich mich an der Uni einschreiben würde.
    »Du brauchst nicht zu suchen, du könntest zu mir in die Kanzlei kommen«, eröffnete er mir, wie ich es fast schon erwartet hatte.
    Doch ich lehnte ab. »Ich werd in einem Laden aushelfen«, sagte ich, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, wo ich diesen Laden finden sollte. Aber allein in Zehlendorf gab es haufenweise davon, und mir war es egal, ob ich in einer Schlachterei aushalf oder einem Buchladen.
    »In einem Laden?« Mein Vater schnaufte, und das, obwohl sein Vater auch einen Laden gehabt hatte. Mittlerweile war in dem Gebäude ein Tattoo-Studio untergebracht, aber dennoch, wenn ich mit dem Bus daran vorbeifuhr, war es für mich nichts anderes als Großvaters Laden.
    »Ja, in einem Laden. Ehrliche Arbeit, die mir ’n bisschen Geld einbringt. Dann vertrödle ich wenigstens nicht mehr meine Zeit, und wer weiß, vielleicht werde ich Verkäufer wie Großvater.«
    Das brachte meinen Vater dazu, sich heftig an seinem Kaffee zu verschlucken. Wenn ich daran dachte, wie er beim Husten rot angelaufen war, musste ich immer noch grinsen.
    Und jetzt war ich hier.
    Ich hatte den kleinen Zeitungsladen vielleicht ein oder zwei Mal als Kind betreten, weil ich für mich und Max weiße Schaumzuckermäuse kaufen wollte. Diese standen noch immer in Plastikboxen auf dem Verkaufstresen.
    Gestern beim Vorbeifahren hatte ich durch Zufall den Zettel in der Scheibe gesehen. Frau Kraushahn suchte eine Aushilfe für den Vormittag! Die Bezahlung war nicht besonders, aber ich würde genug Geld verdienen, um mindestens zweimal im Monat nach Ostberlin fahren zu können.
    Heute war mein erster Tag hier, und bis auf das Zeitungseinsortieren hatte die Kioskbesitzerin noch keine andere Arbeit für mich gefunden. Den Kaffee kochte sie selbst, ebenso schmierte sie die Brötchen, die sie verkaufte. Aber bereits gestern hatte sie mir

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