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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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deswegen bekommen, weil er sich dort herumtrieb?
    »Einige von ihnen versuchen, über Ungarn nach Österreich zu kommen. Vielen ist das schon gelungen, und seit die Grenze in Ungarn offen ist …«
    Plötzlich brach er ab. Und wieder schaute er so komisch, aber diesmal konnte nicht ich der Grund sein.
    »He, wer ist denn der?«, fragte Lorenz und deutete hinter mich.
    Ich drehte mich um. Sah zuerst lange Beine in Jeans. Und dann …
    Claudius!
    Was suchte der hier?
    »Der beobachtet uns schon die ganze Zeit. Ich wusste ja noch gar nicht, dass Stasispitzel Levi’s tragen.«
    »Nein, er ist kein …« Ich wiederholte das Wort Stasispitzel besser nicht, denn die Schönhauser war um diese Zeit ziemlich voll.
    »Das ist ein Bekannter«, antwortete ich, während eine regelrechte Hitzewelle an meinem Rückgrat entlanglief.
    Warum war er hier? Na klar, weil er sein Versprechen einlösen wollte! Aber wieso so schnell?
    Bei der einzig möglichen Antwort spürte ich, wie meine Ohren zu glühen begannen: Weil er in der Nacht auch wach gelegen hatte.
    »Moment mal, ich muss zu ihm.« Ohne Lorenz’ Antwort abzuwarten, lief ich los. Mein Herz pochte wie verrückt und in meinem Magen zog es ganz furchtbar. Claudius war wieder hier! Und er war meinetwegen hier, nur meinetwegen!
    Völlig außer Puste blieb ich vor ihm stehen. Als ich mich mit den Händen auf den Knien abstützte, um wieder zu Atem zu kommen, fiel mir auf, dass ich noch immer im FDJ -Hemd und den blöden Hochwasser-Wisent-Hosen steckte. Das war mir auf einmal urst peinlich, denn eigentlich – so hatte ich mir unter anderem ausgemalt, als ich in den vergangenen Nächten schlaflos an meine Zimmerdecke gestarrt hatte – wollte ich beim nächsten Treffen mit Claudius mein weites Sternenkleid tragen, das ich von Mirko zu Weihnachten bekommen hatte. Die Mutter eines seiner Kameraden bei der NVA hatte es genäht, weil Mirko beim Freigang geholfen hatte, die Wohnung neu zu streichen.
    Und jetzt stand ich hier in derselben FDJ -Kluft, in der er mich schon in der U-Bahn gesehen hatte.
    »Ich denke, ihr tragt die FDJ -Hemden nur montags«, sagte er scherzhaft.
    »Ja, dir auch hallo«, entgegnete ich.
    Wie sollte ich ihn jetzt begrüßen? Die Hand schütteln war was für Erwachsene, fürs Umarmen kannten wir uns zu wenig – obwohl ich das sehr gern getan hätte.
    Doch Claudius war ganz locker. Er lächelte mich an und sagte: »Hallo.« Und dann: »Na, wie ist das mit den Hemden? Oder ist heute Waschtag und du hattest nichts anderes?«
    »Heute war Zeugnisausgabe«, antwortete ich. »Da ist das Pflicht.«
    »Ihr bekommt schon Ferien?«
    »Ihr nicht?«
    Claudius schüttelte den Kopf. »Offiziell erst am zwanzigsten Juli. Aber ich werde wahrscheinlich früher Schluss haben. Nur noch eine Prüfung nächste Woche und wenn ich die bestehe, habe ich das Abi in der Tasche.«
    »Du hast es echt gut«, entgegnete ich, keuchte noch eine Weile und richtete mich dann wieder auf. Offenbar hatte mein Sportlehrer recht, dass ich vielleicht mehr Laufen trainieren sollte.
    »Ein Freund?«, fragte Claudius und deutete hinter mich auf Lorenz, wobei er ganz merkwürdig lächelte. Komisch, ähnlich hatte auch Lorenz vorhin aus der Wäsche geguckt.
    »Ein Kumpel«, antwortete ich schnell. »Wir gehen in dieselbe Klasse.«
    »Er ist ein Punk.« Wieder der entgeisterte Blick. Hatte er so was noch nie gesehen? In der BRD sollte es haufenweise davon geben!
    »Was du nicht sagst!«, platzte es aus mir heraus.
    Claudius wurde rot. »Ich … ich wollte nur sagen, ich wusste nicht …«
    »Dass es bei uns Punks gibt?«
    »Dass es die
auch
bei euch gibt. Ich dachte immer, ihr seid alle in der FDJ und da darf man so was nicht.«
    Beinahe hätte ich aufgelacht. Doch dann fiel mir wieder ein, dass Claudius sich wahrscheinlich noch nie wirklich mit der Jugend hier befasst hatte. »Die meisten sind in der FDJ «, antwortete ich. »Einige auch nicht, das sind meist Kinder von Pastoren. Kannst dir gar nicht vorstellen, was die für Ärger mit den Lehrern dafür kriegen. Aber Lorenz ist in der FDJ . Und er ist auch Punk. Der Iro sieht zu seinem Blauhemd wirklich klasse aus. Und den Anzug trägt er nur heute, zur Feier des Tages.« Ich zwinkerte ihm zu. Claudius wirkte noch immer ganz verdattert.
    »Lorenz heißt er also?«
    »Ja, Lorenz. Er ist immer noch auf der Suche nach einem Punkernamen. Schabe und Ratte sind schon weg, Krätze ist ein Mädchen, und was anderes ist ihm noch nicht eingefallen.«
    »Einer

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