Und morgen am Meer
dein Helm?«, fragte Claudius.
»Ich habe keinen«, antwortete ich. »Und auch kein Moped. Ich hab da eigentlich auch nur mitgemacht, weil alle das gemacht haben. Und weil man nicht weiß, wozu es mal gut ist. Vielleicht ziehe ich irgendwann aus Berlin weg, dann brauche ich einen fahrbaren Untersatz. Bis man einen Trabi bekommt, kann es noch viele Jahre dauern, und auf dem Dorf fahren nicht viele Busse.«
Vor der Eisdiele, die wie so viele hier Pinguin-Eisbar hieß, reihte sich eine lange Schlange auf. Meist waren es Mütter mit kleinen Kindern oder Schüler, die sich von ihrem Taschen- oder Zeugnisgeld etwas gönnen wollten.
»Meinst du wirklich, dass wir da heute noch reinkommen?«, fragte Claudius skeptisch, als wir uns brav in die Schlange einreihten.
»Warum denn nicht? Ist doch bis sechs auf!«
Claudius schaute demonstrativ auf seine Uhr. Ein riesiges Teil mit so vielen Zeigern und Zifferblättern, dass ich mich fragte, was er darauf außer der Zeit noch alles sehen konnte.
»Es ist jetzt kurz vor vier«, stellte er nach kurzem Blick auf eine der Anzeigen fest.
»Du wirst sehen, es geht schnell. Einige nehmen sich auch Eis mit.«
Tatsächlich kamen im nächsten Augenblick vier Mädchen mit Eistüten nach draußen, die Schlange rückte vor, sodass wir uns nun auf Höhe der Tische befanden, die draußen standen. Der Geruch des Vanilleeises und der Erdbeeren ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hoffentlich gab es noch welche, wenn wir dran waren.
Um mich ein wenig abzulenken, fragte ich Claudius: »Sag mal, da du dich vorhin so für das Motorrad interessiert hast, hast du auch eine Maschine?«
In Claudius’ Blick erstarrte plötzlich etwas. Hatte ich was Falsches gesagt?
»Ja, ich hab eine, aber sie ist kaputt«, murmelte er und blickte dann nach vorn.
Ich fragte mich, was plötzlich los war. Warum antwortete er mir so schroff und knapp? Bei der Maschine vorhin hatten seine Augen regelrecht geleuchtet …
Ich traute mich nicht nachzufragen. Vielleicht war er auch nur ärgerlich, weil er hier anstehen musste.
Tatsächlich dauerte es nur eine Viertelstunde, bis wir an der Eistheke ankamen. Gleich drei Tische wurden auf einmal frei, nicht draußen, wie ich eigentlich gehofft hatte, aber immerhin. Noch mehr freute es mich, dass es tatsächlich noch eine große Schüssel gezuckerte Erdbeeren gab.
»Ich liebe diese Erdbeeren.« Mir war es nicht peinlich, vor Claudius wie ein kleines Kind in die Hände zu klatschen. »Als ich noch klein war, hat mir Papa manchmal welche in den Kindergarten mitgegeben. In einem kleinen Marmeladenglas. Die anderen Kinder haben mich immer darum beneidet.«
»Und woher hattet ihr die Erdbeeren?«
»Opa hatte ’ne Datsche am Stadtrand, da hat er sie angebaut.«
»Datsche?«
»Bei euch heißt das wohl Gartenhaus. Opa hatte immer ganz viele Erdbeerpflanzen. Wenn die Früchte reif waren, sind wir immer rausgefahren und haben sie gepflückt.«
»Habt ihr die Datsche noch?«, fragte er, nachdem er mich eine Weile angesehen hatte.
»Nein, als Opa sein Bein verloren hatte, mussten wir sie verkaufen. Papa hatte keine Zeit, um sich um den Garten zu kümmern.«
»Wat soll’s denn sein?«, erschreckte mich die Stimme der Eisverkäuferin. Beim Erzählen hatten wir gar nicht gemerkt, dass wir an der Reihe waren.
Ich bestellte für Claudius und mich einen Vanilleeisbecher mit Erdbeeren und Sahne. Die Verkäuferin schaufelte zwei große Kugeln in die Becher, löffelte Erdbeeren darauf und ging dann zum Sahnesiphon und füllte zwei große Portionen ab.
»Bitte schön, macht fünf vierzig!«
Claudius starrte die Frau an, als hätte er nicht verstanden, legte dann aber den Zwanziger auf die Geldschale und bekam einen Haufen Kleingeld wieder.
Mit den beiden hohen Plastikeisbechern – Claudius hatte einen gelben, ich einen hellblauen – setzten wir uns an einen Tisch am Fenster.
»Das ist gut!«, rief Claudius aus, nachdem er einen Löffel probiert hatte.
»Glaubst du denn, ich hätte dich hergebracht, wenn es nicht schmecken würde?«, fragte ich, während der Geschmack von Vanille und Erdbeeren meinen Mund füllte und ich schwelgerisch die Augen schloss.
»Ehrlich gesagt hätte ich das nicht erwartet«, sagte Claudius mit vollem Mund. »Als ich das erste Mal hier war, hatte ich so einen schrecklichen Hotdog am Alex.«
Hotdog? Seit wann gab es denn so was hier? Doch dann fiel es mir ein. »Ketwurst«, sagte ich. »Die nennt man Ketwurst. Du meinst doch das Brötchen
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