Und morgen am Meer
dazu!«
Ich huschte zur Kommode und holte unter meinen Socken meine Geldbörse hervor. Sie war recht klein, aber unsere Geldscheine waren ja auch nicht besonders groß. Ich hatte mal einen Hunderter in Onkel Erwins Portemonnaie gesehen, der erschien mir riesig gegen unsere Scheine.
»Ich habe auch noch Geld«, sagte Claudius, während er sich erhob. »Wie wäre es, wenn ich dich einlade. Zur Feier des Tages.«
Ich wollte schon ablehnen, doch dann sah ich, dass er einen Goethe und einen Müntzer aus der Tasche zog. Fünfundzwanzig Mark. Dafür konnten wir mindestens zehn Eisbecher bekommen – und ordentlich Bauchschmerzen!
»Der Zwangsumtausch«, erklärte er. »Ich weiß wirklich nicht, was ich sonst damit soll.«
»Einverstanden!«, sagte ich und schob meine Geldbörse wieder unter die Socken.
Auf der Schönhauser Allee war heute viel los. Meist tummelten sich Kinder und Jugendliche auf dem Gehsteig. Die Türen der Läden standen offen. Aus einem Gemüseladen strömte uns der strenge Geruch von Sellerie und Saatgut entgegen.
Ich beobachtete, wie Claudius durch das Schaufenster spähte – und vergeblich nach etwas anderem als Kohl, Sellerie und Äpfeln Ausschau hielt.
»Bei euch sind die Läden sicher voll mit Obst und Gemüse, oder?«, fragte ich, denn in einem Film hatte ich mal einen türkischen Gemüsehändler in Westberlin gesehen, dessen Auslagen vor Obst und Gemüse beinahe überquollen. Nicht mal auf dem Wochenmarkt sah es bei uns so aus.
»Tolle Maschine!«, rief Claudius plötzlich aus, als wir an einem Motorrad vorbeikamen, das widerrechtlich auf dem Bürgersteig geparkt war. Der nächste Vopo, der vorbeikam, würde sich freuen! »Das ist keine aus dem Osten, oder?«
»Frag mich was Leichteres«, entgegnete ich. »Wenn es um Motorräder geht, kennt sich mein Bruder besser aus. Er hat ’ne Jawa. Aber das da ist keine Jawa. Eher ’ne MZ , aber ’ne umgebaute.«
Bevor ich ihn zurückhalten konnte, hockte er sich neben das Motorrad und suchte irgendwas am Gestänge.
Ich sah mich hektisch um. Wenn der Besitzer des Gefährts zufällig in der Nähe war, würde er vielleicht gleich angelaufen kommen und mit Fäusten oder der Volkspolizei drohen.
»Du hast recht, da steht was von VEB Motorradwerk Zschopau«, sagte Claudius, als er sich wieder aufrichtete.
»Abgekürzt MZ «, entgegnete ich, als wäre ich doch der große Experte. »Eigentlich sehen die Maschinen viel plumper aus, der Besitzer hat sicher einiges dran rumgebastelt.«
Claudius warf noch einen Blick auf die Maschine, strich dann über den Sozius und grinste mich an. »Und du behauptest, keine Ahnung von Motorrädern zu haben!«
»Hab ich ja auch nicht. Ich kann höchstens Moped fahren, letztes Jahr haben wir bei der GST alle die Fahrerlaubnis dafür gemacht.«
Endlich konnten wir weitergehen. Ein Wunder, dass uns niemand von dem Motorrad weggescheucht hat. Wer so viel Zeit für sein Zweirad aufwendet, hatte bestimmt auch Angst, dass es ihm geklaut werden konnte.
» GST ?«, fragte Claudius verwundert.
»Gesellschaft für Sport und Technik. In die mussten wir eintreten und zwei Jahresbeiträge im Voraus zahlen, damit wir die Fahrerlaubnis machen können.«
»War das nicht wahnsinnig teuer?«
»Iwo! Elf Mark pro Jahr für die GST und dann noch mal sechsundvierzig für die Fahrschule. Das war’s.«
Claudius klappte die Kinnlade runter. »Sechsundvierzig Mark.«
»Plus zweiundzwanzig für die GST «, setzte ich hinzu.
»Das ist ja der Wahnsinn. Wenn ich dran denke, dass fast alles, was ich zur Konfirmation bekommen habe, für den Führerschein draufgegangen ist …«
»Aber dafür hattet ihr bestimmt tollere Maschinen, auf denen ihr üben konntet. Wir hatten nur zwei klapprige Simson-Mopeds, die nicht schneller als fünfzig Sachen gefahren sind. Ich dachte, meins bricht gleich unter mir zusammen. Und dann diese Pissrinne von einem Helm.«
Claudius lachte auf. »Pissrinne?«
»So nennen wir die Helme ohne Visier und Kinnteil, die aussehen wie ein Nachttopf. Pissrinne. Besonders schlimm trifft es einen, wenn man einen Helm braucht und es in der Zeit nur gelbe gibt. Damit traust du dich besser nicht unter deine Klassenkameraden, denn die werden dich bis zum Gehtnichtmehr verarschen.«
Claudius’ Lachen war sehr ansteckend. Ein alter Mann, der an uns vorüberging, schaute uns an, als wären wir betrunken, aber das brauchten wir gar nicht zu sein. Hier in der DDR gab es viel Lustiges, auch ohne Alkohol.
»Welche Farbe hat
Weitere Kostenlose Bücher