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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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mit?«
    »Nee, die gibt es als Frühstücksmilch. Sag bloß, so was habt ihr bei euch nicht?«
    »Doch, aber nur in der Grundschule. Und nur Schoko oder weiße Milch. In höheren Klassen haben wir uns was aus den Kiosken in der Schule geholt.«
    »Also bei uns musst du am Montag oder Dienstag im Sekretariat Milch- und Essensgeld bezahlen, bisschen mehr als ’ne Mark. Du kannst dir aussuchen, ob du bei der Milch Schoko oder Frucht willst. Die Kästen werden von den Kastenträgern geholt, in jeder Woche sind das zwei andere. Genauso wie Tafeldienst und so weiter. Nur der Klassenbuchträger ist immer derselbe.«
    So, wie Milena das erzählte, schien die Schule nicht schlecht gewesen zu sein. Aber die Versorgung mit Frühstücksmilch wog nicht auf, dass die Schule auch der Ort war, an dem Schüler von der Stasi befragt werden konnten.
    »Und was machen wir mit denen da?«, fragte ich Milena, als sie nun die Tütensuppen einsteckte. »Wir haben immerhin keinen Topf!«
    »Den kriegen wir schon noch, wenn wir in Karl-Marx-Stadt sind.«
    »Du willst also wirklich durch eine große Stadt?«
    Milena nickte entschlossen. »In einer großen Stadt kann man gut untertauchen, außerdem sollten wir uns waschen, bevor es über die Grenze geht.«
    Das klang so, als gäbe es jenseits der tschechischen Grenze keine sanitären Einrichtungen. »Und wie willst du das anstellen? Wir können ja nicht einfach irgendwo in ein Hotel marschieren und uns ein Zimmer nehmen?«
    »Das brauchen wir auch nicht. Es gibt in größeren Städten Schwimmbäder, in die könnten wir gehen.«
    Am Rand der Dorfstraße, vor dem kleinen Konsum, aßen wir schließlich unsere »Leckermäulchen« und tranken Fruchtmilch. Manchmal kamen ein paar ältere Leute vorbei, mit Handwagen oder Taschen. Wohin sie wollten, weiß ich nicht. Eine Frau mit einem ganzen Korb Eier betrat schließlich den Konsum und begann ein angeregtes Gespräch mit der Verkäuferin. Ich verstand so viel, dass es um das Abliefern der Schweine im Schlachthof ging und dass sie für die Eier einen Schein bekommen sollte, der sie dazu berechtigte, sich Getreide in der LPG -Mühle schroten zu lassen. Neben den wenigen Menschen, die hier unterwegs waren, kam ab und an ein seltsam aussehender Traktor vorbei, der entweder keine Scheiben in der Führerkanzel hatte oder keine Verkleidung um den Motor herum. Als wir fertig waren, packten wir zusammen und machten uns auf den Weg weiter nach Süden.
Milena
    Es fühlte sich ausgesprochen gut an, hinter Claudius zu sitzen, meinen Bauch an seinen Rücken zu schmiegen und den Wind zu spüren, der über meinen Körper strich.
    Ich war früher schon gern bei Mirko mitgefahren, aber Claudius lenkte die Maschine ganz anders. Sicherer. Kaum zu glauben, dass er vor etwas mehr als einem Tag noch Hemmungen gehabt hatte, je wieder auf ein Motorrad zu steigen. Wenn mein Bruder nach langer Zeit wieder auf seine Maschine stieg, dann fuhr er in der ersten Zeit wesentlich unsicherer, wackliger.
    Da wir die Karte studiert hatten, machte ich mir keine Gedanken mehr über den Weg. Dafür kamen mir viele andere Dinge in den Sinn.
    Zum Beispiel, dass im Moment eigentlich nicht ich diejenige war, die etwas Illegales tat – abgesehen davon, dass ich Mirkos Motorrad entwendet hatte.
    Ich hatte meinen Personalausweis dabei und befand mich auf dem Gebiet der DDR . Claudius hingegen war illegal in die DDR eingereist. Es ging also erst einmal nicht darum, mich in den Westen zu bringen – vielmehr mussten wir dafür sorgen, dass Claudius nicht erwischt wurde!
    Mir verschaffte der Gedanke ein unangenehmes Ziehen. Hakenschlagen gut und schön, aber vielleicht sollten wir doch so schnell wie möglich zur Grenze kommen, denn wenn Claudius es erst einmal rübergeschafft hatte, konnten wir uns vielleicht ein wenig Zeit lassen und die Fahrt genießen. Solange aber würde mir die Angst im Nacken sitzen.
    Den ganzen Vormittag fuhren wir an kleinen Dörfern und Städten vorbei. Die Wegweiser zeigten eindeutig nach Karl-Marx-Stadt.
    Ich war noch nie zuvor hier gewesen, auf Klassenfahrten und während der Jugendstunden hatten wir Leipzig und Dresden besucht, aber nie Karl-Marx-Stadt. Ich wusste nur, dass die Stadt früher einmal Chemnitz geheißen hatte und es irgendwo einen riesigen Karl-Marx-Kopf gab.
    Gegen Mittag, als die Hitze am größten war und wir das Gefühl hatten, unter unseren Sachen zu zerfließen, kamen wir in der Stadt an.
    Ähnlich wie in Berlin war hier die Luft mit Abgas und

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