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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ein weitläufiges Waldstück grenzte. Auf dem Weg in Richtung Korn warnte uns ein verwaschenes Schild mit einem Eichhörnchen vor Waldbrandgefahr. Aber gab es die derzeit wirklich? Im Wald war es jedenfalls angenehm kühl, und etwas von der Kühle strömte auch in Richtung Feld. An einer Stelle, die ein wenig niedergetreten war und aussah, als hätte hier ein Elefant auf der Seite geschlafen, bockte Claudius das Motorrad auf.
    Die Weizenhalme waren noch etwas grünlich, wir brauchten also keine Angst zu haben, dass die Erntekapitäne anrückten und uns mit ihren Mähwerken bedrohten. Im Sommer ernteten die LPG s auch zu Nachtzeiten, dann mit Scheinwerfern, die das Feld beleuchteten.
    Da es in der Nähe ein paar Weiden mit sehr geraden Ästen gab, beschloss Claudius, ein paar davon zu schneiden. »Dann können wir gleich unser Zelt aufbauen und müssen nicht unter freiem Himmel liegen.«
    »Unter freiem Himmel liegen hat aber auch seinen Reiz«, entgegnete ich. »Man kann die Sterne sehen.«
    »Wie in diesem Song, wie? Ein Bett im Kornfeld.«
    Ich verzog das Gesicht. »Stehst du da etwa drauf? Mirko nennt das Lied immer ›Ein Korn im Feldbett‹, bei der NVA ist das sehr beliebt.«
    »Nee, da steh ich nicht drauf, ist mir nur so eingefallen. Es ist Sommer, die Grillen singen …«
    »Hör auf, bitte!«, flehte ich. »Nicht, dass du das jetzt auch gleich noch singst.«
    »Das war eines der ersten Lieder auf der Gitarre, die ich in der Musikschule spielen musste. Und konnte!«
    »Du hättest deine Gitarre mitnehmen sollen«, sagte ich verträumt, denn ich stellte es mir schön vor, mit ihm am Lagerfeuer zu sitzen und zu hören, wie er spielte. Klar, wir hatten den Walkman, wenn wir Musik hören wollten, aber nur zu gern hätte ich gehört, wie er spielte.
    »Dann hättest du auf dem Sozius aber keinen Platz mehr gehabt, fürchte ich«, entgegnete er lachend. »Außerdem, wer weiß, ob du mein Geklampfe magst. Ich bin nicht so gut wie Bowie oder so.«
    »Bowie spielt keine Gitarre! Vielleicht bist du ein neuer Jimi Hendrix.«
    »Wenn das so ist, sollte ich es doch mal mit ›The Star-Spangled Banner‹ probieren. Und ich spiele es auf der Mauer. Was meinst du, wie eure Grenzer aus der Wäsche gucken!«
    Der Gedanke, dass Claudius auf der Mauer stehen und wie Hendrix die amerikanische Nationalhymne spielen würde, hatte schon was. Aber jetzt wollte ich nicht an die Mauer denken. Überhaupt nicht an Berlin, denn Berlin bedeutete für mich Angst, während ich mir hier, mitten auf irgendeinem Feld, einreden konnte, dass wir frei waren, dass sie uns nicht kriegen würden.
    Ich umarmte Claudius und küsste ihn auf seine Worte, dann gingen wir Hand in Hand zu den Weiden, um die Äste zu schneiden.
    »Ich hoffe nur, dass nicht gerade irgendein Förster hier vorbeischaut«, sagte Claudius, während er das Messer an den ersten der Äste setzte. Sie waren weich und biegsam, ideal für ein Zelt.
    »Nicht um die Uhrzeit«, gab ich zurück. »Auch die Forstbetriebe haben Feierabend.«
    »Und abends läuft niemand herum und schießt irgendwelches Wild ab?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist verboten. Nur bei offiziellen Jagden darf geschossen werden. Der Wald ist Volkseigentum, wer dort wildert, schwächt den Staat und den Sozialismus.« Wie hohl kamen mir diese Worte auf einmal vor! Und plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob sich die Jäger wirklich an das Verbot hielten. Bestimmt füllten einige von ihren ihre Kühltruhen an den Vorschriften vorbei mit Wild.
    Aber hier blieb alles ruhig, sodass wir nur wenig später mit einigen Weidenästen zum Motorrad zurückkehrten.
    »Ich glaube, es wäre besser, wenn wir hier kein Lagerfeuer machen«, sagte Claudius, während er die Äste bog und zu einer Art Iglu zusammenband. »Womöglich glauben die Leute dann noch, dass das Feld brennt und holen die Feuerwehr.«
    Da hatte er recht, und das Letzte, was wir gebrauchen konnten, war die Feuerwehr und ein wütender LPG -Brigadier, der vielleicht den nächsten ABV benachrichtigte.
    Als wir die muffige Plane über das Gerüst ausgebreitet und uns davor gesetzt hatten, um der Sonne dabei zuzusehen, wie sie hinter dem Kornfeld verschwand, fragte ich Claudius: »Woher weißt du eigentlich so viel über den Zeltbau? Ich denke, es ist total out, bei den Pfadfindern oder so anderen Gruppen zu sein? Mit dem Zelt hier könntest du jeden Pionierleiter schwer beeindrucken.«
    »Als Kind hat mich meine Mutter in eine kirchliche Gruppe

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