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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Rauch geschwängert, der bedeckte Himmel ließ die Stadt ein wenig trostlos wirken. Wir fuhren an dem riesigen, etwas mürrisch dreinschauenden Karl-Marx-Kopf vorbei, passierten einen mittelalterlichen roten Turm und ein riesiges HO -Warenhaus. Auf der Straße mussten wir der rasant fahrenden Straßenbahn ausweichen, und nachdem wir uns kurz durchgefragt hatten, schickte man uns ins Freibad. Dort stellten wir unsere Maschine ab und genossen das erste Bad seit Tagen.
    Auch wenn hier sehr viel los war und die Kinder wie verrückt Arschbomben machten, genoss ich es, endlich wieder im Wasser zu sein.
    Und auch Claudius wirkte erleichtert. Ungeachtet der Kinder schwamm er zwei Bahnen und setzte sich mit mir dann auf eine frei gewordene Stelle am Beckenrand.
    »Und was jetzt?«, fragte er und knuffte mich leicht in die Seite. »Wollten wir nicht einen Topf kaufen, damit du darin deine Tütensuppe kochen kannst?«
    »Warum denn nicht?«, antwortete ich gut gelaunt und froh, endlich wieder in frischen Klamotten zu stecken. »Hast du das HO -Warenhaus gesehen? Da würde ich zu gern mal rein.«
    »Gut, dann fahren wir dorthin. Wie steht es um unsere Finanzen?«
    »Ich glaube, wir haben noch fünfzig Mark. Dafür müssten wir locker einen Topf kriegen. Und noch ein paar andere Sachen, die wir unterwegs brauchen.«
    Nachdem wir uns wieder angezogen hatten, fuhren wir zurück in die Innenstadt, in der es jetzt vor Touristen wimmelte.
    »Warum hat eure Staatsführung die Stadt eigentlich umbenannt, fragte Claudius, als wir am Karl-Marx-Kopf vorbeikamen.
    Davor hatten sich einige Schülergruppen versammelt, Pioniere, die hier wohl ihre Ferien verbrachten und einen Ausflug in die Stadt machten.
    »Wos meent’n ihr, warum dor Nischel so gnatschig guckt?«, hörte ich einen alten Mann die Pioniere fragen. Offenbar waren die Kinder aus der Gegend, denn sie verstanden seinen Dialekt.
    »Keine Ahnung!«, rief ein Vorwitziger, worauf der alte Mann über die Straße auf einen kleinen Laden zeigte.
    »Weil a den gonzen Tog den Intershop anschaun muss und geen Geld hat, wos zu goofen.«
    Die Kinder lachten los.
    »So was können Sie doch nicht den Pionieren erzählen!«, erboste sich der Pionierleiter.
    Ich war aufseiten der Kinder, denn ich prustete los.
    »Warum lachst du?«, fragte Claudius, der offenbar nicht verstanden hatte, was der Mann den Pionieren erzählt hatte.
    Ich erklärte es ihm. Und ich erklärte ihm auch, dass es genauso wie dem Marx vielen DDR -Bürgern erging. Sie konnten sich leibhaftig anschauen, was es im Westen gab – doch mangels Forumschecks und Devisen konnten sie nichts davon kaufen.
    »Und darüber könnt ihr lachen?«, fragte Claudius verwundert. »Das ist doch eigentlich traurig.«
    »Ja«, entgegnete ich, »aber heißt es nicht, dass das Böse manchmal auch durch Lachen besiegt werden kann?«
    Im HO -Warenhaus, das dem in Berlin am Alex ähnelte, bekamen wir tatsächlich ein Kochgeschirr. Außerdem deckten wir uns mit Streichhölzern und ein paar anderen kleinen Dingen ein, die wir in den tschechoslowakischen Wäldern gebrauchen konnten.
    Kaum kamen wir jedoch gut gelaunt aus dem
Centrum
, begegneten wir auch schon einem Polizisten.
    »Da ist ein ABV «, sagte ich zu Claudius, während ich ihn vor mich zog.
    »Ein was?« Claudius sah sich kurz um, blickte mich dann wieder an.
    »Ein Abschnittsbevollmächtigter. So heißen bei uns Vopos, die für ein Dorf oder einen Stadtteil zuständig sind.«
    Claudius schob seine breiten Schultern vor mich.
    »Was meinst du, sollen wir uns hier eine Unterkunft suchen oder draußen?«, fragte er mich, während wir beide so unbeteiligt wie möglich taten und hofften, dass dem ABV nicht einfiel, irgendwelche willkürlichen Ausweiskontrollen durchzuführen.
    »Ich glaube, es wäre besser, wenn wir es draußen versuchen«, entgegnete ich, als der Polizist an uns vorüber war. »Es wäre natürlich schön, in irgendeinem Hotel oder einer Herberge zu schlafen, doch abgesehen davon, dass wir kein Geld dafür haben, müssen wir da bestimmt irgendeinen Ausweis vorzeigen, und dann wird’s brenzlig, weil die Stasi bestimmt auch irgendwelche Leute hat. IM s.«
    » IM ?«
    »Inoffizielle Mitarbeiter. Das können alle möglichen Leute sein, die unterschrieben und sich verpflichtet haben.«
    Claudius war anzusehen, dass er denen besser nicht begegnen wollte. »Also gut, fahren wir.«
    Er nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich.
    Am Abend machten wir Rast in einem Kornfeld, das an

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