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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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mir dann, mitzukommen.
    Die anderen Lastwagenfahrer hatten sich inzwischen vor einem anderen Truck eingefunden und setzten dort ihren Schwatz fort.
    Er schloss seine Kanzel auf und stieg ein. Und was war nun mit mir?
    »Wie klein kannst du dich machen, Junge?«
    »Ähm, ich weiß nicht. Sehr klein, wenn es sein muss.«
    »Na dann komm mal rein in die gute Stube und mach die Tür zu. Ich hab da nämlich ein Versteck, in dem ich sonst Zigaretten schmuggle. Du kannst froh sein, dass du an mich geraten bist, nicht jeder hat so was in seinem Wagen.«
    Ich war an einen Schmuggler geraten. Spitze!
Milena
    Voller Angst hockte ich auf einem Stein in der Nähe des Grenzüberganges. Wie es mir die tschechischen Zöllner geraten hatten, hatte ich Kronen eingetauscht und mich ein Stück vom Grenzübergang wegbegeben. Nun wartete ich mit mulmigem Gefühl im Magen darauf, dass Claudius sich blicken ließ.
    Was sollte ich tun, wenn er es nicht schaffte? Oder wenn er von den Grenzern festgenommen wurde?
    Mittlerweile wurde es dunkel, und ich hatte keine Ahnung, wie viele Wagen schon an mir vorübergefahren waren. Einige hupten spöttisch, andere riefen mir aus dem Fenster etwas zu. Ich ignorierte sie, und als hätte mein Blick Zauberkräfte, fixierte ich das tschechische Zollgebäude, in der Hoffnung, Claudius auf diese Weise herbeirufen zu können.
    Wie wollte er das bloß schaffen?
    Auf einmal wurde mir klar, wie er sich gefühlt haben musste, als ich nicht durch die Grenze kommen konnte. Jetzt war er es, der in der DDR hängen blieb. Wäre das nicht zum Heulen gewesen, hätte ich gelacht.
    Da rollte ein Laster durch den Grenzübergang. Das Nummernschild konnte ich nicht erkennen, aber auf der Wagenplane stand der Name einer Firma aus Hamburg. Hamburg. Das kannte ich nur aus dem Tatort oder uralten Filmen mit Hans Albers und aus Erzählungen von Onkel Erwin. Wie gern hätte ich mir die Stadt mal angeschaut, den Hafen, den Michel … Es war die Stadt, in der Onkel Erwin gewohnt hatte und es war vollkommen blödsinnig, dass wir nicht zu ihm durften. Was hätte er dem Sozialismus schon antun können?
    Der Laster fuhr an mir vorbei, doch ich beachtete ihn nicht. Ich blickte auf die Zollstelle. Noch immer kein Claudius. Vielleicht hätte ich ihm das Motorrad dalassen sollen.
    Da bemerkte ich, dass der Laster ein Stück von mir entfernt am Straßenrand hielt.
    Ich dachte nicht weiter darüber nach, bis neben mir Schritte ertönten.
    »He, Mädchen«, sprach er mich an. »Komm doch mal mit.«
    Ich sprang erschrocken auf. Was wollte er von mir?
    Auch wenn in der DDR offiziell nicht von irgendwelchen Verbrechen berichtet wurde, bekamen wir doch mit, dass manchmal jemand verschwand. Mein Opa hatte mich als Kind immer davor gewarnt, mit fremden Männern mitzugehen. Und so ein fremder Mann stand jetzt vor mir und wollte, dass ich mitkam?
    »Nee, ich bleib lieber hier«, antwortete ich und überlegte, wie ich mich verteidigen konnte, wenn er mich angriff. Ich konnte mich ja unmöglich auf die Maschine schwingen und wegfahren.
    »Keine Bange, ich will dir nicht an die Wäsche«, sagte der Mann, als hätte er meine Gedanken erraten. »Ich hab da wen für dich. Aber es wäre wirklich besser, wenn du ein Stück mitkommen würdest, mit deiner tollen Maschine. Sonst würden die Grenzer womöglich sehen, dass ich geschmuggelt habe.«
    Nur langsam sickerten seine Worte durch meinen Verstand. Geschmuggelt? Er hatte da wen?
    Dann fiel der Groschen. Während mein Herz zu rasen begann, schnappte ich mir die Maschine, bockte sie ab und schob sie dann weiter. Beinahe riss mich die Jawa um, als ich kurz im Boden einsank, doch ich erreichte den Lastwagen.
    Daneben stand Claudius und reckte seine Glieder.
    »Na, der gehört wohl zu dir, oder?«, fragte der Brummi-Fahrer. »Sonst schick ich ihn gleich wieder rüber.«
    Ich lächelte breit. »Er gehört zu mir.«
    »Wie dein Name an der Tür, was?«
    Der Brummifahrer lachte, schlug Claudius auf die Schulter und verschwand in seiner Kanzel, bevor ich ihm ein »Danke« hinterherrufen konnte.
Claudius
    »Ich bin so froh, dass du es geschafft hast«, sagte Milena, als sie den Kopf auf meine Brust legte. »Wie hat dich der Lasterfahrer über die Grenze bekommen?«
    »Unter seinem Sitz«, antwortete ich. Mittlerweile konnte ich über mein Erlebnis wieder grinsen, aber zwischendurch hatte ich mir vor Angst beinahe in die Hosen gemacht. Milena war bald geplatzt vor Neugierde, doch ich wollte so schnell wie möglich weg

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