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Und morgen am Meer

Und morgen am Meer

Titel: Und morgen am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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unterhalb des südlichsten Zipfels der DDR abgeschnitten. Ein paar Orte in Grenznähe waren noch aufgeführt, jedenfalls auf dem Gebiet der ČSSR , doch wie wir uns im Land weiter zurechtfinden sollten, wussten wir erst mal nicht.
    Auf einem schmalen Feldweg machten wir um die Mittagszeit halt.
    Der Boden war hier knochentrocken und wies einige Risse auf. Fast sah er aus wie in Dokumentationen über Afrika, in denen ausgetrocknete Flussbetten gezeigt wurden. Doch im Gegensatz dazu stand an den Wegrändern hoch das Korn. Die schweren gelben Ähren bogen die Stiele herunter, nicht mehr lange und die Mähdrescher würden kommen.
    Doch jetzt gab es hier nur uns und ein paar Grillen, die wieder zu zirpen begannen, als Claudius den Motor der Jawa abstellte.
    Wir breiteten die vollkommen nutzlose Karte trotzdem aus, und ich weiß nicht, warum, aber irgendwie überkamen mich plötzlich die Zweifel. Eine Karte bekamen wir sicher in irgendeiner kleinen Stadt, aber dennoch …
    Claudius bemerkte, dass ich still wurde und nachdenklich vor mich hinbrütete.
    »Was ist?«, fragte er. »Warum guckst du so traurig?«
    »Ich weiß nicht, ob es klappen wird«, gab ich zu und lehnte mich an seine Schulter. »Es ist noch so ein weiter Weg und wir müssen noch über zwei Grenzen. Und dann? Auch die Italiener werden uns nicht so ohne Weiteres rüberlassen.«
    Claudius sagte erst mal nichts. Er hielt mich einfach nur fest. Ich wusste, dass ich ihm in diesem Augenblick nicht geglaubt hätte, wenn er behauptet hätte, dass alles schon werden würde. Wahrscheinlich hatte er diese Zweifel auch.
    Dann tat er jedoch etwas Überraschendes.
    »Willst du mal fahren?«, fragte er.
    »Fahren?«, fragte ich zurück. »Aber ich habe doch nur ’nen Mopedschein!«
    »Ein Moped fährt sich nicht viel anders als ein Motorrad, du hast nur mehr PS unter dem Hintern.«
    »Mein Bruder würde mich lynchen, wenn ich seine Maschine fahre!«
    »Das tut er ohnehin schon, weil wir sie ihm geklaut haben!«
    Claudius stieg ab und deutete mit einer einladenden Handbewegung auf den Sitz.
    »Ich wette, du kannst das. Versuch’s doch mal.«
    »Und wenn ich umkippe?«
    »Richten wir es wieder auf. Komm, ich setz mich hinter dich, dann passiert schon nichts.«
    Zögerlich übernahm ich den Lenker. Seit der Fahrschule hatte ich nicht mehr auf einem Moped gesessen. Und dieses hatte nun wesentlich mehr PS als die Fahrschul-Nuckelpinnen.
    »Und wenn ich es doch nicht kann?«, fragte ich ängstlich, denn die Motorräder jagten mir immer großen Respekt ein.
    »Du kannst das. Versuch’s mal, lass sie an.«
    Ich trat mit vollem Gewicht auf den Anlasserhebel. Die Maschine röhrte zunächst auf, drohte dann aber gleich wieder blubbernd abzusaufen.
    »Du musst Gas geben!«, sagte Claudius hinter mir und griff blitzschnell zu. Wieder heulte der Motor, dann begann er, gleichmäßiger zu laufen.
    »Und jetzt du!«, rief Claudius und überließ mir das Gas.
    Als ich aufstieg, hatte ich das Gefühl, ein wildes Pferd unter mir zu haben, das mich jederzeit abwerfen konnte. Als Claudius sich hinter mich setzte, sank die Maschine noch ein weiteres Stück nach unten, und ich konnte nicht von mir behaupten, dass es mir nun besser ging.
    Aber irgendwie schaffte ich es, den Gang einzulegen, dann den Gashahn aufzudrehen und die Kupplung langsam kommen zu lassen. Wie damals in der ersten Fahrstunde. Das Motorrad machte einen überraschenden Satz nach vorn – zu viel Gas –, ich spürte, wie sich Claudius an meiner Taille festhielt. Ja, ich hatte das Gefühl, dass er mich vom Motorrad reißen würde, doch ich blieb sitzen und meine Hand fand das Gefühl fürs Gas. Die Maschine rollte an, sehr langsam, aber sie fuhr. Und obwohl ich das Gefühl hatte, dass sie ungestüm war, wusste ich, dass ich sie beherrschen konnte, wenn ich nur wollte.
    Mit Claudius als Sozius tuckerte ich den Feldweg entlang, vorbei an knorrigen Holunderbüschen und Wildrosen, die sich unters Korn gemischt hatten. Wohin dieser Weg führte? Keine Ahnung, wahrscheinlich weit weg von unserer eigentlichen Straße. Aber jetzt, da die Sonne auf uns herabschien, der Fahrtwind leicht über mein Gesicht streichelte und ich Claudius an meinem Rücken spürte, hätte ich ewig so weiterfahren können.
    Leider hatte der Feldweg irgendwann doch ein Ende, und zwar an einer sehr zerfahrenen Pflasterstraße, über die ein maroder Traktor an uns vorbeizuckelte.
    »Ich glaube, wir sollten wieder zurück«, sagte Claudius, nachdem er sich die

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