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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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bekäme, würde er
in das Krankenhaus fahren können, und niemand würde es
komisch finden, ihn dort zu sehen. Dann könnte er
herausfinden, wo Lynn Spencer liegt und zu ihrem
Zimmer gehen. Und bevor er sie töten würde, würde er ihr
alles über Annie erzählen.
8
    ICH HATTE NICHT VORGEHABT, Lynn an diesem
Tag zu besuchen, aber als ich die Ruine passiert hatte, die
einmal ihr Haus in Bedford gewesen war, fiel mir ein, dass
es nur zehn Minuten Fahrt bis zum Krankenhaus waren,
und ich beschloss, kurz vorbeizuschauen. Ich hatte Fotos
von dem wunderschönen Haus gesehen, und ich muss
zugeben, dass ich beim Anblick der verkohlten Überreste
betroffen war, auch weil ich erkannte, wie viel Glück
Lynn gehabt hatte, dass sie den Brand überlebt hatte. In
jener Nacht standen noch zwei weitere Autos in der
Garage. Wenn dem Feuerwehrmann nicht der rote Fiat
aufgefallen wäre, den sie normalerweise fuhr, und er nicht
danach gefragt hätte, wäre sie jetzt tot.
    Sie hatte Glück gehabt. Mehr Glück als ihr Mann, dachte
ich, als ich den Krankenhausparkplatz ansteuerte. Ich war
mir sicher, dass mir heute keine Kameraleute über den
Weg laufen würden. In dieser schnelllebigen Zeit war die
Tatsache, dass Lynn nur knapp dem Tod entronnen war,
bereits Schnee von gestern, höchstens noch interessant,
wenn man jemanden als mutmaßlichen Brandstifter
verhaften würde oder herauskäme, dass Lynn selbst bei
der Unterschlagung der Gelder von Gen-stone ihre Hand
im Spiel gehabt hatte.
    Nachdem ich meinen Besucherpass für das Krankenhaus
erhalten hatte, wurde ich in das oberste Geschoss
geschickt.
    Als ich aus dem Aufzug stieg, war mir sofort klar, dass
diese Abteilung für betuchte Patienten vorgesehen war.
Der Gang war mit Teppichboden ausgelegt, und das leere
Zimmer, an dem ich vorbeikam, hätte sich genauso gut in
einem Fünf-Sterne-Hotel befinden können.
    Vielleicht hätte ich besser vorher anrufen sollen, dachte
ich. Ich hatte noch das Bild jener Lynn im Kopf, die ich
vor zwei Tagen angetroffen hatte, mit
Sauerstoffschläuchen in der Nase, verbundenen Händen
und Füßen – und voller Dankbarkeit, dass ich gekommen
war.
    Die Tür zu ihrem Zimmer stand einen Spalt offen, und
als ich einen Blick hineinwarf, zögerte ich einzutreten,
weil sie gerade telefonierte. Sie ruhte auf einem Diwan
beim Fenster, und die Veränderung ihrer äußeren
Erscheinung war frappierend. Die Verbände an ihren
Händen waren viel kleiner. Statt des hauseigenen
Nachthemds, das sie am Dienstag angehabt hatte, trug sie
einen Morgenmantel aus blassgrünem Satin. Ihre Haare
fielen nicht mehr offen auf die Schultern, sondern waren
wieder im Nacken hochgesteckt. Ich hörte sie sagen: »Ich
liebe dich auch.«
    Sie musste meine Anwesenheit gespürt haben, denn sie
drehte sich um, als sie ihr Handy zuklappte. War es
Überraschung, die sich auf ihrem Gesicht abzeichnete?
Oder schien sie für einen Augenblick verärgert, ja sogar
alarmiert zu sein?
    Doch dieser Eindruck war sofort verflogen, als sie mich
anlächelte und überschwänglich begrüßte: »Carley, wie
nett von dir, dass du mich besuchst. Ich habe gerade mit
Dad telefoniert. Ich schaffe es einfach nicht, ihn davon zu
überzeugen, dass ich mich wirklich wieder ganz gut
fühle.«
    Ich ging auf sie zu, und weil mir einfiel, dass ich wohl
schlecht ihre Hand nehmen konnte, tätschelte ich
unbeholfen ihre Schulter, bevor ich mich ihr gegenüber in
den Sessel setzte. Auf dem Tisch neben ihr standen
Blumen, ebenso auf der Kommode und auf dem
Nachtschränkchen.
    Keiner der üppigen Sträuße war von der Art, die man
eben mal in der Eingangshalle des Krankenhauses kauft.
Wie alles andere, was Lynn umgab, waren sie teuer.
    Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich mich sofort
unsicher fühlte, sobald ich mit ihr zusammen war, als ob
sie es sei, die die Stimmung festlegte. Bei unserer ersten
Begegnung in Florida war sie herablassend gewesen. Vor
zwei Tagen war sie hilfsbedürftig erschienen. Und heute?
    »Carley, ich kann dir gar nicht genug danken für die Art
und Weise, wie du über mich gesprochen hast, vorgestern
bei dem Interview«, sagte sie.
    »Ich habe einfach nur gesagt, dass du Glück gehabt hast,
mit dem Leben davongekommen zu sein, und dass du
Schlimmes durchgemacht hast.«
    »Ich habe jedenfalls danach Anrufe von Freunden
bekommen, die sich nicht mehr gemeldet hatten, seitdem
sie erfahren haben, was Nick getan hat. Sie haben dich

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