Und morgen in das kühle Grab
einsetzen, Carley.«
»Aber Casey, stell dir vor, du hättest die Wahl, innerhalb
weniger Monate zu sterben oder weiterzuleben und dabei
schreckliche Nebenwirkungen zu riskieren. Wofür würdest
du dich entscheiden?«
»Zum Glück stand ich selbst noch nie vor dieser Frage,
Carley. Doch ich weiß hundertprozentig, dass ich als Arzt
meinen Eid niemals brechen und jemanden als
Versuchskaninchen missbrauchen würde.«
Aber Nicholas Spencer war kein Arzt, dachte ich. Sein
Ansatz war ein anderer. Und im Hospiz hatte er es mit
Menschen zu tun, die todkrank waren und keine andere
Wahl hatten, als entweder Versuchskaninchen zu sein oder
zu sterben.
Beim Espresso lud mich Casey ein, am
Sonntagnachmittag mit ihm zu einer Cocktailparty in
Greenwich zu gehen.
»Die Leute werden dir gefallen«, sagte er, »und du
ihnen.«
Natürlich sagte ich zu. Nachdem wir das Restaurant
verlassen hatten, wollte ich mir ein Taxi suchen, aber
diesmal bestand er darauf, mitzufahren. Ich bot ihm an,
noch einen Drink bei mir zu nehmen, aber er ließ das Taxi
warten und brachte mich an die Haustür. »Ich finde, du
solltest besser in einem Haus mit Portier wohnen«, sagte
er. »Dass du hier mit deinem Schlüssel aufsperrst, ist
einfach nicht sicher genug. Da könnte plötzlich jemand
hinter dir auftauchen und sich Zutritt verschaffen.«
Ich schaute ihn verblüfft an. »Wie kommst du denn auf
diese Idee?«
Er blickte mich nüchtern an. Casey ist knapp ein Meter
neunzig groß. Selbst wenn ich hohe Absätze trage,
überragt er mich um einiges. »Ich weiß es nicht, Carley«,
sagte er. »Ich frage mich nur, ob du mit diesen
Nachforschungen über Spencer nicht in etwas Größeres
hineingeraten bist, als du bisher gedacht hast.«
Ich ahnte nicht, dass dieser Ausspruch sich als geradezu
prophetisch erweisen sollte. Es war fast halb elf, als ich
meine Wohnung betrat. Ich schaute auf den
Anrufbeantworter, aber das Lämpchen blinkte nicht.
Vivian Powers hatte nicht zurückgerufen.
Ich versuchte es erneut bei ihr. Als niemand abnahm,
hinterließ ich eine weitere Nachricht.
Am nächsten Morgen klingelte das Telefon, gerade als
ich zur Arbeit gehen wollte. Jemand von der örtlichen
Polizei in Briarcliff Manor war dran. Ein Nachbar, der
seinen Hund spazieren führte, hatte bemerkt, dass die
Haustür bei Vivian Powers offen stand. Er hatte geklingelt
und war, nachdem sich nichts gerührt hatte, eingetreten.
Das Haus war leer gewesen. Ein Tisch und eine Lampe
waren umgestürzt, und das Licht hatte gebrannt. Daraufhin
hatte er sofort die Polizei alarmiert. Sie hatten den
Anrufbeantworter abgehört und meine Nachrichten
gefunden. Ob ich eine Vorstellung hätte, wo Vivian
Powers sein könnte oder ob sie in irgendwelchen
Schwierigkeiten sei?
25
KEN UND DON HÖRTEN KONZENTRIERT zu, als ich
ihnen von meinen Begegnungen in Westchester und dem
morgendlichen Anruf der Polizei von Briarcliff Manor
berichtete.
»Eine instinktive Reaktion, Carley?«, fragte Ken.
»Haben wir es hier vielleicht mit einer kunstvollen
Inszenierung zu tun, die alle Welt davon überzeugen soll,
dass noch etwas anderes im Spiel war? Das
Hausmeisterehepaar erzählt dir, dass Nick Spencer und
Vivian Powers ein Liebespaar waren. Könnte es sein, dass
du der Wahrheit zu nahe gekommen bist? Glaubst du, sie
hatte geplant, eine Weile nach Boston zu gehen, ein
bisschen mit Mommy und Daddy zusammenzuwohnen,
um dann ein neues Leben in Australien, Timbuktu oder
Monaco anzufangen, wenn sich alles etwas beruhigt haben
würde?«
»Sehr gut möglich«, sagte ich. »Allerdings muss ich
sagen, dass in diesem Fall die Sache mit der offen
stehenden Haustür und den umgestürzten Möbeln doch
etwas zu viel des Guten gewesen wäre.« Ich zögerte einen
Moment.
»Und weiter?«, fragte Ken.
»Wenn ich zurückdenke, glaube ich, dass sie Angst
hatte. Als Vivian Powers die Haustür aufmachte, hatte sie
die Sicherheitskette eingehängt, und sie wartete eine Zeit
lang, bevor sie mich ins Haus ließ.«
»Du warst ungefähr um halb zwölf dort?«, fragte Ken.
»Ja.«
»Hat sie irgendwelche Andeutungen gemacht, warum sie
Angst hatte?«
»Nicht direkt, aber sie erzählte, dass nur eine Woche vor
dem Flugzeugabsturz das Gaspedal in Spencers Wagen
geklemmt hat. Inzwischen glaubt sie, dass weder das eine
noch das andere ein Unfall war.«
Ich stand auf. »Ich werde jetzt nach Briarcliff Manor
fahren«, sagte ich, »und danach noch einmal nach
Caspien. Falls
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