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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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dafür, dass ich sie verhätschel, findest du nicht? Bist du wieder in der Stadt? Wann kannst du vorbeikommen?«
    »Anthony, hey, komm mal wieder runter. Persephone ist sehr sensibel. Die Vibrationen von deinem Geschnatter machen sie bestimmt total nervös.«
    »Ha! Dass sie sensibel ist, hab ich dir gesagt. Du hast die ganze Zeit von ihrem Pelz geredet, erinnerst du dich?«

    Als Reeve in die Hotellobby zurückkehrt, ernüchtert sie der Anblick von Jackie Burke und Nick Hudson, die sich inzwischen zu Dr. Lerner gesellt haben. Mit Nick hat sie nicht mehr gesprochen, seit er ihr Emily Ewings Liste aus der Hand gerupft und ihr gesagt hat, dass sie sich raushalten soll. Noch immer fühlt sie sich wie ein gescholtenes Kind, weil sie seine Worte ignoriert hat und auf diese Weise ausgerechnet in die Situation geraten ist, vor der er sie gewarnt hat. Da sie einen missbilligenden Kommentar erwartet, versteift sie sich.
    Doch stattdessen nimmt er ihre Hände in seine, hält sie fest und sagt: »Hier ist er ja, unser Racheengel.«
    Sie wird rot, sucht vergeblich nach einer passenden Erwiderung und blickt verlegen zur Seite. Als er endlich ihre Hände loslässt und die Unterhaltung wieder einsetzt, hört sie nicht richtig zu.
    Nur Sekunden später, wie ihr scheint, schleift sie den Koffer hinter sich her und tritt aus dem warmen Hotel in die kalte Winterluft. Die Abschieds- und Dankesworte ziehen an ihr vorbei, sie winkt über die Schulter und marschiert auf den Jeep zu.
    Als sie ihren Koffer in den Wagen hievt, trabt Nick Hudson heran. »Ich wollte Ihnen noch was geben, bevor Sie verschwinden.« Er reicht ihr eine bunt bedruckte CD.
    »Was ist das?«
    »Etwas, das Sie auf der Fahrt hören können.«
    »Texas Hold’em?«, fragt sie und betrachtet die CD in ihrer Hand.
    »Ja, meine Band. Mögen Sie Countrymusic?«
    »Ähm, klar. Sie spielen in einer Band?«
    Er zuckt die Achseln. »Hoffentlich gefallen Ihnen die Texte. Ein paar davon habe ich geschrieben.«
    Sie überlegt, was sie darauf antworten kann, bringt aber nur einen gestammelten Dank hervor. »Bestimmt ist das ideale Musik für lange Autofahrten. Songs, die gute Laune verbreiten.«
    Er sieht sie an und schüttelt den Kopf. »Jeder hat das Recht, auch mal traurig zu sein.« Dann berührt er ihre Wange und sagt das Letzte, was sie erwartet hätte. »Warum gehen die hübschen Mädchen immer?«

72. Kapitel
    N ach einer köstlichen hausgemachten Lasagne und warmem Sauerteigbrot zieht Tilly Reeve in ihr Zimmer und reicht ihr verlegen eine kleine rechteckige Schachtel, die in blaues, glänzendes Papier verpackt ist.
    »Mach auf.«
    »Wow, heute kriege ich lauter Geschenke«, sagt Reeve und bedauert plötzlich, nicht auch etwas geben zu können. Sie macht das Papier ab, öffnet die Schachtel, faltet hellblauen Zellstoff auf und nimmt eine wunderschöne Halskette aus glänzenden Glasperlen heraus, manche so klein wie Blaubeeren, andere wiederum so groß wie Weintrauben.
    »Gefällt sie dir?«
    »Oh, die ist ja toll.« Die Perlen sind bernsteinfarben, gold und weiß, dazwischen funkelndes Glas. »Und du hast die wirklich selbst gemacht?«
    Ein kleines Achselzucken, ein scheues Lächeln. »Leg mal um.«
    Reeve hält sie an ihre Brust, während Tilly den Verschluss in ihrem Nacken schließt, und beide drehen sich zum Spiegel um. Die Perlen glänzen und schimmern, als würden sie von innen heraus leuchten.
    »Steht dir wirklich gut.«
    »Vielen, vielen Dank. Sie ist wunderschön. Und du findest wirklich, dass das meine Farben sind?«
    Tilly strahlt sie an. »Weil du das Licht bist. LeClaire heißt Licht, oder? Das bist du.«

    Dunkle Wolken ziehen auf, als Reeve endlich den Jeep aufgetankt hat und auf der Interstate 5 in südliche Richtung fährt. Sie nimmt den Fuß vom Gas und stellt den Tempomat auf fünfundsiebzig Meilen pro Stunde ein. Es wird spät sein, bis sie zu Hause ankommt. Zu spät, um Persie zu holen, zu spät, um ihrem Vater den Jeep zu bringen. Morgen wird reichen müssen.
    Die nicht eingemeindeten Ortschaften von Jefferson zerfasern und bleiben hinter ihr zurück, um sanften Hügeln und Weideland Platz zu machen. Kühe. Pferde. Ferne Gipfel, die von düsteren Wolken abgebissen werden. Der Himmel beginnt zu spucken, und sie muss eine Weile herumprobieren, bis sie die richtige Einstellung für den Scheibenwischer gefunden hat.
    Sie hat das Gefühl, als habe sie sich Hunderte von Meilen von ihrem alten Leben entfernt. Das neue Jahr wartet schon hinter der nächsten

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