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Und Nietzsche lachte

Und Nietzsche lachte

Titel: Und Nietzsche lachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Quarch
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gedeihliches Miteinander der Menschen zu legen vermöge. Denn auf Gottes Gebot hatten sich sowohl die Protestanten als auch die Katholiken berufen, was weder die einen noch die anderen daran hinderte, brandschatzend und marodierend durch die Lande zu ziehen. Besonders schlimm war es in England zugegangen, und so nimmt es nicht wunder, dass sich dort jemand finden sollte, der die Moral mit eiserner Faust vom Himmel auf die Erde riss. Nicht Gott wollte er länger als den Garanten einer stimmigen, bejahbaren und gutzuheißenden Ordnung auf Erden akzeptieren. Nein, ein »sterblicher Gott«, der »große Leviathan« musste her – und eben diesen fand Thomas Hobbes im totalen Staat.
    Hobbes’ Gedanke war einfach: Die Menschen scheren sich einen Dreck um die Weisungen Gottes. Im Gegenteil: Sie trachten einander nach dem Leben und befinden sich von alters her in einem Zustand, der sich als »Krieg aller gegen alle« beschreiben lässt. Diesem Treiben, meinte Hobbes, könne nur Abhilfe geschaffen werden, indem die Menschen sich dazu aufrafften, »sich gewissen Anordnungen, welche die bürgerliche Gesellschaft trifft, zu unterwerfen«. Einfach getrieben von dem menschlich-allzumenschlichen Bedürfnis, »sich selbst zu erhalten und ein bequemes Leben zu führen«. Dafür aber musste jeder, wie Hobbes ausführt, seine »Macht oder Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Wille aller gleichsam auf einen Punkt vereinigt wird, so dass dieser eine Mensch oder diese eine Gesellschaft eines jeden einzelnen Stellvertreter werde und ein jeder die Handlungen jener so betrachte, als habe er sie selbst getan, weil sie sich dem Willen und Urteil jener freiwillig unterworfen haben«.
    Gut und bejahenswert – sprich: sinnvoll – war das Leben eines Menschen nun also nicht mehr, wenn er dem Gebot Gottes gehorsam war, sondern wenn er dem Gebot der staatlichen Autorität folgte. Denn ihr – so Hobbes’ Gedanke – hatte man sich um seines lieben Friedens willen zu unterwerfen. Sie hatte nunmehr dem Menschen zu sagen, was gut und böse sei. Der Machthaber wurde zum Garanten von Sinn und Unsinn. Wo einst die Zehn Gebote oder die Bergpredigt standen, da herrschten nun der Souverän und das Gesetzbuch. Das freilich ging den Denkern späterer Generationen zu weit. Denn zu häufig geschah es, dass dasjenige, was der »Staat« bzw. seine Repräsentanten für gut und sinnvoll erklärt hatten, den davon betroffenen Menschen so gar nicht bejahenswert erschien; dass man sich mithin nicht darauf verlassen konnte, als unerschütterliches Fundament des Lebens auf die »sinnvollen und bejahbaren« Weisungen des Gesetzgebers zu bauen.
    Mit solchen Erwägungen wurde nach Hobbes eine zweite Runde der Moralkritik eingeleitet, bei der – ähnlich wie bei Leibniz’ Reaktion auf Descartes – der gerade zum Haupteingang hinausgeschmissene liebe Gott durch den Hintereingang ins Denken und Sinnverständnis der Menschen zurückgebeten wurde. Und zwar unter einem raffinierten Decknamen: die »unsichtbare Hand«.
    Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass dieser Begriff aus der Feder von Adam Smith stammt – jenem britischen Denker, dem wir die Theorie des Marktliberalismus verdanken. Diese kühne Formel von der »unsichtbaren Hand« lässt sich aber genauso auf den politischen oder auch moralischen Liberalismus anwenden, der von einigen anderen Vordenkern in Englands nasskaltem Norden entwickelt wurde. John Locke ist hier zu nennen, ebenso Jeremy Bentham oder John Stuart Mill. Was all diese Männer vereint, ist ihr Optimismus: Sie folgten Hobbes in der Grundannahme, dass der Mensch der »Wolf des Menschen« sei (O-Ton Hobbes!). Sie meinten aber, das sei überhaupt nicht schlimm und man müsse die »Wölfe« keineswegs durch einen autoritären Staat an die Leine nehmen. Denn sie waren davon überzeugt, dass es – bei Lichte besehen – jedem Einzelnen und der Gesellschaft zugute käme, wenn die Menschen ihrem Egoismus ungebremst nachgingen. Naja, vielleicht nicht ganz ungebremst, denn eines erschien den britischen Optimisten dann doch notwendig. Sie wollten die Menschen darüber aufklären, was ihre wahren und eigentlichen Interessen seien. Und sie wollten ihnen darlegen, wie es gelänge, diese effizient und kostensparend zu verwirklichen. Wären die Menschen nämlich nur erst so weit aufgeklärt und handelten dementsprechend, dann würden ihre Wünsche ganz von allein – hier kommt die »unsichtbare Hand« ins Spiel! – befriedigt; dann wäre ihr

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