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...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

Titel: ...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Borkner-Delcarlo
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Umgehungsstraße fertig gestellt wurde. Ein klotziger Bau, dessen unteres Stockwerk sehr alt zu sein schien. Die Kommissarin kannte solche Häuser aus ihrer Heimatstadt, sie schätzte Ende siebzehntes Jahrhundert, nach dem dreißigjährigen Krieg. Trotz der fast einen Meter dicken Wände fror man im Winter ständig darin. Ein wenig gelungenes, etwas zu schmalbrüstiges Stockwerk darauf gesetzt, vermittelte der Gasthof einen merkwürdigen, fast lächerlichen Eindruck. Wie eine ältere Dame mit Krinoline und Bikini-Oberteil. Sie musste lächeln bei dem Gedanken.
    Der daraufgesetzte Neubau passte nicht zu den dicken, schräg ausgestellten Mauern aus dem siebzehnten Jahrhundert. Das Dach mit Ziegeln gedeckt, die weder zur alten noch zum neuen Teil des Hauses passten, wirkte merkwürdig komisch. Besonders aber störte die nachträglich angebrachte Isolierung. Dem oberen Stockwerk des mit Eternit-Platten verblendeten Gebäudes, hatte der letzte Hagelsturm arg zugesetzt. Wie aus Wunden quoll die schmutzig gelbe, isolierende Steinwolle aus Rissen und Löchern. Und schwarz und hässlich, wie das Gerippe eines verwesenden Giganten zeigte sich an vielen Stellen das modrige Lattengerüst.
    Sonja Sänger stellte den Wagen im Hinterhof des Gasthofs ab. Beim Eintreten in die Gaststube schlug ihr ein kalter, feuchter Dunst entgegen. Es roch unangenehm nach altem Bratfett und Männerschweiß.
    „Sie sind bestimmt die Kommissarin“, sagte die Stimme eines junger Mannes, der gebückt hinter einem altertümlichen Tresen stand und gerade dabei war, ein Bierfass an den Zapfhahn anzuschließen.
    Sonja Sänger sah sich suchend um.
    „Ja..., bin ich...“, sagte sie etwas irritiert, „aber wo sind Sie, ich kann Sie nirgends entdecken?“
    Das strahlende Gesicht eines jungen Mannes tauchte hinter dem Tresen auf. Er wischte sich mit einem Lappen die Hände ab und streckte dann die Rechte über den Schanktisch.
    „Wie lange wollen Sie denn bleiben?“, fragte er und schüttelte die Hand der Kommissarin.
    „Nur ein, zwei Tage, länger kann ich nicht. Mein Mann wissen Sie, er würde mich vermissen.“
    „Das ist gut. Wir sind hier auf Schlafgäste auch gar nicht eingerichtet. Aber als Sie mir sagten, dass es um den Fall Wagedorn ging, da wurde ich doch neugierig.“
    „Wieso wissen Sie denn davon?, Sie sind doch viel zu jung!“
    „Mein Vater wurde damals auch verhört. Er hatte den Burschen ein Alibi gegeben.“
    Er machte eine weit ausladende Handbewegung und deutete über die leeren Tische, auf denen vereinzelt noch die Stühle standen.
    „Ich mache immer nur ab 18 Uhr auf, früher lohnt sich das nicht. Außerdem habe ich noch einen Job in der Stadt. Sie müssen wissen, der Laden hier trägt seit Jahren schon keine Familie mit zwei Kindern mehr.“
    Die Kommissarin lächelte ihn verstehend an.
    „Aber Sie sollten um 20 Uhr mal hinunter in den Schankraum kommen, da ist dann der Bär los, da kommen sie alle aus ihren Löchern.“
    „Sie haben ja keine hohe Meinung von ihren Mitbewohnern“, sagte Sonja Sänger und lachte.
    „Ach die Leute aus der Gegend sind nicht schlimmer als anderswo, nur habe ich manchmal Angst, ich könnte genauso werden, wenn ich nicht bald von hier verschwinde.“
    „Und warum tun Sie's nicht?“
    „Verschwinden?“ Der junge Wirt sah seinen Gast irritiert an.
    „Das geht schlecht, solange mein Vater noch lebt. Außerdem gehört mir das Haus. Ich kann's doch nicht einfach verfallen lassen. Und verkaufen...?“
    Er machte eine weit ausholende Armbewegung: „Wer würde denn schon einen alten verkorksten Kasten wie diesen kaufen? Später, wenn mein Vater einmal nicht mehr ist... Dann …, ja, dann!
    Die Kommissarin nickte nur. Sie wusste, dass sich auf diese Weise die alten verknöcherten Dorfstrukturen formten und festigten. Sie hatte es selbst erfahren. Man möchte weg, aber unsichtbare Bindungen halten einen, sind stärker als der Drang nach dem Neuen, der Veränderung, dem Abenteuer. Der Vater, die Kinder, das Haus, die Arbeit. Man muss nur noch etwas warten, dann..., ja dann würde man ein neues Leben beginnen, dann würde alles anders werden.
    ***
    Sonja wusste, er wartete vergebens, sie hätte ihm sagen können, dass dieser Tag niemals kommen würde, ihm sagen, dass er vergeblich hoffte, das der Tag, an dem er Abschied von diesen ärmlichen Verhältnissen nahm niemals kommen würde. Nur würde er es ja doch nicht glauben. Immer würde dem jungen Mann etwas dazwischen kommen. Immer würde er noch ein

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