...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
Mutter war sein bester Kunde damals, wenn man von ihm selbst einmal absieht.“
Die Kommissarin versuchte die Gelegenheit zu nutzen: „Hat er Ihnen etwas über das Mädchen erzählt?“
„Nicht viel“, sagte der Wirt, „nur dass sie wohl einen etwas lockeren Lebenswandel geführt hat. Wir hatten damals eine Juke-Box unten stehen. Für jeden der eine Mark hineinwerfen konnte, tanzte sie. Das hat mir mein Vater erzählt. Sie muss schon eine komische Nummer gewesen sein. Wie ihre Mutter eben. Bei Maria war das wohl die Pubertät, aber bei ihrer Mutter wohl eher die reine Verzweiflung. Wenn man in einem Ort wie diesem auf der untersten Sprosse der Gesellschaftsleiter steht, dann hat man's nicht leicht.“
Der junge Mann gefiel ihr. In der Art, wie er über Marias Mutter sprach, schwang so etwas wie Mitgefühl für die Frau mit.
„Verzweiflung...! Wie soll ich dass verstehen?“, hakte sie nach.
„Frau Wagedorn hatte auf einem Hof hier in der Umgebung als Magd arbeiten müssen. Der Bauer muss sie dann wohl über Jahre zum Sex genötigt haben. Er hat ihr gedroht, er würde sie im Dorf schlecht machen, wenn sie das herum erzählen würde, außerdem würde sie ihren Job verlieren, hatte er gesagt. Als dann die Bäuerin herausfand, dass da was lief, da hat sie einfach die Wagedorn rausgeworfen. Knall auf Fall..., von einer Minute zur anderen. Sie hätte lieber ihren Mann zum Teufel schicken sollen, aber so ist eben die Moral hier bei uns.“
„Also stimmt das nicht, was wir ermittelt haben, dass sie die Dorfhure war?“
„Doch..., doch, das stimmt schon. Sie ist mit fast jedem ins Heu gehüpft, der sie wollte. Sie hatte nur keinen Job mehr und hat eben dann versucht sich auf andere Weise den Lebensunterhalt zu verdienen. Am Ende hat sie wohl ziemlich tief ins Glas geschaut.“ Nachdenklich wiegte er den Kopf.
„Aber wenn man bedenkt, mit welchen Männern sie Umgang hatte, so rechtfertigt das jede beliebige Menge von Alkohol. Glauben Sie mir...“
„Dafür, dass Sie damals kaum geboren waren, wissen Sie ziemlich gut Bescheid.“
„Mein Vater..., er hat mir die Geschichte tausend Mal erzählt. Für ihn war die Wagedorn das Opfer und nicht die Bauern. Die haben sie doch nur benutzt. Wenn ich auch nicht oft mit meinem Vater einer Meinung bin, aber da gebe ich ihm recht. Die Wagedorn wurde vom Schicksal nicht gerade begünstigt.
Manchmal habe ich den Eindruck, mein Vater hätte sie gern geheiratet. Als damals meine Mutter starb, das war kurz bevor der Mord geschah, da suchte er eine neue Frau. Viel Angebot hatten wir damals nicht, aber das hat sich bis heute nicht geändert. Wer die Möglichkeit hat, geht hier so schnell wie möglich weg.“
Er machte eine weit ausholende kreisförmige Armbewegung: „Sehen Sie sich doch mal um! Welches junge Mädchen möchte schon gern in einem Kaff wie diesem hier versauern...?“
Resigniert zuckte er mit den Schultern: „Das mit der Wagedorn wurde natürlich nichts. Mein Vater war schon damals nicht gerade das was man einen attraktiven Mann nennt. Außerdem war er ziemlich oft besoffen. Und zwei Wirtsleute, die gerne Trinken?, das verträgt wohl keine Wirtschaft für lange Zeit.“
Mit Faust und ausgestrecktem Daumen machte er eine Bewegung, die das Trinken andeuten sollte.
Der Junge sprach nicht weiter. Ihm widerstrebte es offenbar, abfällig von seinem Vater zu reden.
„Aber einige Jahre nach der Tat starb die Wagedorn und danach hat er es aufgegeben eine Frau aus dem Dorf zu finden. Und eine aus der Stadt hätte er ja sowieso nicht gekriegt.“
Abschätzend sah er die Kommissarin an: „Wenn Sie heute Abend herunterkommen, dann zeige ich Ihnen den Mann. Der muss jetzt so an die siebzig sein und immer noch rennt er jedem Rock hinterher. Er kommt seit dreißig Jahren jeden Tag hierher und besäuft sich.“
„Sie meinen den Mann, dessentwegen die Wagedorn damals den Hof verlassen musste?“
Der Wirt nickte: „Genau den! Allerdings hat er seine Bestrafung schon bekommen...“, sagte der Wirt: „Sie müssten mal seine Frau erleben, dann wüssten sie was ich meine.“ Der junge Mann grinste und die Kommissarin grinste solidarisch mit.
„Warum ist denn Frau Wagedorn damals nicht einfach weggegangen? Ich meine nachdem sie ihren Job als Magd verloren hatte? Sie hätte doch in die Kreisstadt gehen können, nach München oder ganz woanders hin!?“
„Ach wissen Sie“, sagte der Wirt und kraulte sich die gelockte Mähne, „wenn man hier aufgewachsen ist, dann
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