Und plötzlich warst du wieder da
Nadia riss sich aus diesen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das Geschehen auf dem Fernsehschirm. Gerade hatten Mitch und Carly sich das Jawort gegeben. Jetzt tauschten sie die Ringe.
Nadia presste die Lippen aufeinander. Sie trug ihren Ehering nicht mehr. Jahrelang hatte sie ihn noch am Finger gehabt, und immer wieder hatte es deshalb Diskussionen mit ihrem Vater gegeben. Abgenommen hatte sie ihn erst an dem Tag, an dem sie endgültig entschieden hatte, dass es in ihrem Leben niemals mehr einen anderen Mann geben würde. Dann hatte sie den schlichten Goldreif, auf dessen Innenseite ihr und Lucas’ Name eingraviert waren, ganz nach hinten in ihre Schmuckschatulle gelegt. Und dort würde er bis ans Ende ihrer Tage bleiben.
Wieder drehte sie sich zu Lucas um. Ihr Mann. Der Mann, der ihr alles Glück und alle Hoffnung genommen hatte. Mit leeren Händen stand sie da – und mit der Aussicht, das Leben einer Klosternonne zu führen. Aber war das zu rechtfertigen? Wollte sie sich das letzte bisschen Vergnügen auch noch nehmen lassen? In einem hatte Lucas ohne Frage recht. Der Sex war immer überwältigend gewesen. Sollte sie …?
Ein warmer Schauer rieselte ihr bei dem Gedanken über den Rücken, ihren Mann, der bald ihr Exmann war, einfach zu verführen und zu genießen, wieder mit ihm zu schlafen.
Nein, das war falsch, ganz falsch.
Und doch verlockend.
7. KAPITEL
„Wie wäre es jetzt mit Nachtisch? Wir haben auch noch Champagner.“
Als Nadia Lucas’ Stimme hinter sich hörte, erschrak sie. Es war, als ob sie aus einer Trance erwachte. Nadia hatte kaum wahrgenommen, dass Lucas nach der Hochzeitszeremonie nach nebenan gegangen war. Jetzt trug er ein Tablett, auf dem sich der Sektkühler mit der Champagnerflasche und zwei Teller mit einem mit flüssiger Schokolade gefüllten Gebäck befanden. Er hatte nicht vergessen, wie gern sie Lava Cake mochte.
Nadia hatte inzwischen den Fernseher und den Computer ausgeschaltet, nachdem Tara ihr noch aus der Ferne Carly und Rhett vorgestellt hatte. Sie stand auf. Wieder kam ihr der Gedanke, ihrem unerklärlichen Verlangen nachzugeben und mit Lucas zu schlafen. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
„Danke, aber ich möchte jetzt nichts davon“, sagte sie.
Lucas stellte das Tablett auf den Couchtisch und musterte sie aufmerksam. Er hatte früher schon ein untrügliches Gespür für ihre Stimmung gehabt, die er sogar besser zu deuten vermochte als ihr Vater oder ihre Brüder. Es war geradezu unheimlich, wie er manchmal in sie hineinzusehen schien. Auch in diesem Augenblick. An dem dunklen Glanz in seinen Augen erkannte sie, dass er etwas von ihren unterdrückten Wünschen ahnte.
Er stellte sich neben sie. „Was willst du dann?“, erkundigte er sich.
Nadia atmete einmal tief durch. Wahrscheinlich hatte die Hochzeit ihres Bruders sie derart aufgewühlt, dass dieses Gefühlschaos sich Bahn brach. Und sie hatte ihre Sehnsucht so lange bezwungen, bis sie immer stärker geworden war. „Dich“, erklärte sie leise.
„Woher kommt das denn so plötzlich?“
Mit dieser Frage hatte Nadia nicht gerechnet. Er hatte sonst auch nicht lange gefragt, wenn sie ihm nur angedeutet hatte, was sie sich wünschte. Sie drehte sich zu ihm um und legte ihm die Hand auf die Brust. Im Traum wäre ihr nicht eingefallen, dass er Nein sagen könnte. Jetzt hätte sie ihm wahrheitsgemäß antworten und sagen können: „Um die Leere in mir wenigstens für kurze Zeit auszufüllen.“ Aber das tat Nadia nicht.
Sie ließ die Hand höher gleiten und spürte seinen Herzschlag, dann seine warme Haut. In diesem Augenblick wurde Nadia erst bewusst, dass sie kalte Hände hatte. „Ich möchte mit dir schlafen, Lucas. Einfach so, so wie früher.“
Er umfasste ihre Taille und zog Nadia an sich. Aber mehr tat er nicht.
Sie war der Verzweiflung nahe. Sie wollte heißen, hemmungslosen Sex, kein Zögern und Hinhalten. Darin bestand nur die Gefahr, dass sie es sich doch anders überlegte.
Sofort stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund – einmal, zweimal. Sie suchte seine Zunge, biss ihm fordernd in die Lippen, dann ins Ohrläppchen. Doch er rührte sich immer noch nicht, obwohl er erregt war, was sie deutlich spürte. Und sosehr er sich auch zurückhielt, konnte er sein Verlangen vor ihr nicht verbergen, das mit jeder ihrer Berührungen zu steigen schien. Dennoch, früher hätte es keiner Extraeinladung bedurft. Lucas wäre längst über sie hergefallen und
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