Und plotzlich ist es Gluck
hochzusehen.
»Ich möchte, dass wir alle übers Wochenende hinfahren. Wir drei, Hailey, Red und Brendan der Fleischer. Wie in einem dieser amerikanischen Road-Trip-Filme. Ich habe mir das Budget angeschaut. Wenn wir die Ballonfahrt streichen, bleibt genügend Geld dafür übrig.« Sie holt tief Luft und sieht erwartungsvoll von Filly zu mir und wieder zu Filly.
Weder Filly noch ich bringen ein Wort heraus.
»Na, was haltet ihr davon?«, will Sofia wissen. »Ist das nicht eine großartige Idee?«
Filly stellt die Frage, die mir durch den Kopf geht, sobald sich die erste Verblüffung gelegt hat: »Warum soll Hailey mit von der Partie sein?«
»Weil ich sie gebeten habe, auf meiner Hochzeit als Wahrsagerin aufzutreten«, erklärt Sofia, als läge das auf der Hand.
Ich habe eine Vision von einem wackeligen Zelt, in dem sich Hailey mit einem Schal um den Kopf und dicken Ringen an allen Fingern über eine Kristallkugel beugt und mir mit leiser, geheimnisvoller Stimme kundtut, dass ich unverhofft zu Geld kommen und eine Schiffsreise antreten werde. Ich weiß, wenn ich jetzt den Mund aufmache, werde ich lachen. Doch das war bisher nicht meine Art, und ich werde auch heute nicht damit anfangen. Das oberste Gebot für eine Hochzeitsplanerin lautet: Lache nie über den Wunsch einer Klientin, ganz egal, wie … ausgefallen er auch sein mag.
»Sie kann mit Hilfe von Tarotkarten oder Teeblättern die Zukunft vorhersagen, müsst ihr wissen«, fügt Sofia voller Stolz hinzu.
Es ist Filly, die mich aus meinem Zustand der Sprachlosigkeit rettet. »Hältst du es denn für eine gute Idee, wenn jemand den Hochzeitsgästen die Zukunft vorhersagt? Ich meine, was, wenn sie jemandem weissagt, dass er sterben wird? Oder dass ihn seine Frau mit dem Credit-Union-Angestellten betrügen wird? Oder …« Filly sieht hilfesuchend zu mir. »Oder … dass der Partner sich auf und davon machen wird, um auf einer archäologischen Grabungsstätte in Mittelamerika zu arbeiten?«
»Südamerika«, sage ich, aber mein Einwand verhallt ungehört.
»Das wird nicht passieren, weil Hailey den Leuten natürlich nur erfreuliche Ereignisse vorhersagen wird«, erklärt
Sofia, die Hände auf die Knie gestützt. »Falls sie in den Karten Krankheit, Tod oder Zerstörung sieht, dann verschweigt sie das selbstverständlich. Sie wird bloß Erfreuliches erwähnen. Dass sich jemand verliebt zum Beispiel, oder unverhofft zu Geld kommt und eine Schiffsreise machen wird.« Sie blickt erneut zwischen uns hin und her, bis wir stumm nicken.
Filly macht sich auf den Weg in die Küche, um Tee und Schokoladen-Kimberleys zu holen, ohne dass ich sie darum bitten muss.
»Und warum willst du, dass uns Brendan der … äh … Fleischer auf dieser … äh … Landpartie begleitet?«, frage ich Sofia.
»Na, das ist doch nur recht und billig, schließlich liefert er das Fleisch für das Hochzeitsessen.« So autoritär, wie sie das sagt, klingt es nach einem triftigen und zwingenden Grund, so dass ich mich sogar flüchtig frage, warum ich nicht von selbst darauf gekommen bin. Nebenbei bemerkt habe ich Brendan damit beauftragt, sich zu überlegen, welche Arten von Fleisch rosarot verzehrt werden können. Bislang ist ihm bloß Rinder-Carpaccio eingefallen, was immerhin den Vorteil hat, dass es nicht nur rosa ist, sondern auch ein italienisches Gericht. Sofia will keinen Lachs. Lachsrosa ist ihr zu offensichtlich rosa.
»Übernächstes Wochenende geht es los«, teilt uns Sofia mit, sobald Filly mit Tee und Gebäck aufgetaucht ist. »Wir fahren am Samstagmorgen ganz früh los. Am Freitagabend ist zu viel Verkehr, und außerdem kann mir Onkel Vinny den Bus erst am Samstag leihen.«
»Den Bus?«, wiederholen Filly und ich.
»Eigentlich ist es bloß ein Minibus«, räumt Sofia ein. »Aber groß genug für uns alle. Du fährst, Scarlah – du hast doch einen Busführerschein, richtig?«
Das stimmt, und ich verdanke ihn Declan. Er hat darauf bestanden, dass ich mir im zarten Alter von einundzwanzig Jahren einen Führerschein zur Fahrgastbeförderung besorgte, damit ich ihn und eine Truppe Schauspieler samt Requisiten kreuz und quer durch Irland kutschieren konnte, zu den Aufführungen des ersten und einzigen Theaterstücks, das er je geschrieben hat. Es hieß »Eins für unterwegs« und kam auf jeder Laienbühne Irlands, in jedem noch so zugigen Gemeindesaal zur Aufführung. Es war ein sehr langer Sommer.
»Wir könnten doch auch einfach mit mehreren Autos hinfahren«, schlage
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