Und plotzlich ist es Gluck
Jones und der Tempel des Todes sagen kannst.«
So, wie Elliot das sagt, mache ich mir plötzlich Hoffnungen. Er klingt so überzeugt.
»Wie kannst du da so sicher sein?«, frage ich.
Jetzt kommt er erst richtig in Fahrt. »Aus mehreren Gründen. Erstens wegen seines völlig übersteigerten Pflichtbewusstseins.«
Ich nicke. Da hat er Recht. Übersteigert ist gar kein Ausdruck. Johns Pflichtbewusstsein ist jenseits von Gut und Böse – jedenfalls war es das einmal.
»Zweitens«, fährt Elliot fort, »steckt er ganz offensichtlich bis zum Hals in einer Midlife-Crisis. Er ist fünfundvierzig, seine Mutter ist vergangenes Jahr gestorben, er hat zwanzig Jahre lang für dieselbe Firma gearbeitet. Er ist das Musterexemplar eines Mannes in der Midlife-Crisis. Ich kann nicht glauben, dass du das nicht selbst erkannt hast. «
Ich lasse mir seine Worte kurz durch den Kopf gehen. Ich war so damit beschäftigt, irgendwie weiterzumachen, dass ich mir die Frage nach dem Warum gar nie gestattet habe. Aber vielleicht hat er Recht. Vielleicht hatte die Tatsache, dass John unbedingt weg wollte, weniger mit mir zu tun als vielmehr mit ihm selbst.
»Ich würde Valentino Marzonis Vermögen darauf verwetten, dass John Smith nur darauf brennt, zurückzukommen«, sagt Elliot. »Wenn du mich fragst, weint er jede Nacht in seiner Hängematte, wenn er an dich und seinen Job denkt … und an ein schönes Glas Guinness. Und an die grün gewandeten Flugbegleiterinnen von Aer Lingus mit ihrem breiten Lächeln und ihrem dunkelbraunen Make-up. «
»Und warum ist er dann nicht längst wieder da?«
Elliot schüttelt nachsichtig den Kopf. »Weil er, wie du, meine liebe Scarlett, nur zu gut weißt, weder sich selbst noch anderen gegenüber zugeben will, dass er einen
schrecklichen Fehler gemacht hat. Sein Stolz ist nämlich fast genauso groß wie sein Pflichtbewusstsein.«
Ich habe das Gefühl, es halb über die Hürde geschafft zu haben. Jetzt muss ich nur noch die Beine in die richtige Position bringen, damit ich losspurten kann, sobald meine Füße den Boden berühren. John würde einen tollen Vater abgeben, das weiß ich. Einen, auf den sich Ellen verlassen könnte. Und irgendwann würden wir über sein kurzes Brasilien-Intermezzo lachen können. Wir werden eine Paartherapie machen, und er wird vor Verlegenheit feuerrot anlaufen, wenn er dem Therapeuten von seiner Mutter und seinem Job und seinem Alter erzählt. Ich werde ihm selbstverständlich verzeihen, und Ellen wird nicht nur eine Mutter haben, sondern auch einen Vater und ein Zuhause in einem Vorort. Und ein Kätzchen. Ich werde ihr eines besorgen, und Blue wird kein bisschen eifersüchtig sein …
»Äh, habt ihr da nicht etwas vergessen?«
Ich sehe von meinem Kalender hoch. Ich habe soeben eine neue Seite aufgeschlagen, auf der ich nun mit dem Lineal mit der Aufschrift »Es gibt keine Regeln«, das mir Filly gekauft hat, eine Tabelle zeichnen will.
Filly steht auf und tritt an meinen Schreibtisch. »Was ist mit Red Butler?«, fragt sie. Ich versuche, ruhig zu bleiben. Zum ersten Mal seit Tagen verspüre ich Hoffnung. Ich klammere mich mit beiden Händen daran, und ich werde auf keinen Fall loslassen.
»Er war ein Fehler«, winke ich ab.
»Aber er könnte Ellens Vater sein.« Fillys Hartnäckigkeit ist normalerweise etwas, wofür ich sie bewundere.
»Ist er aber nicht«, sage ich, und auf einmal bin ich überzeugt, dass ich Recht habe. »Ich war vorsichtig« – da bin ich mir zu sechsundneunzig Prozent sicher – »und …
es ging ohnehin alles so schnell, und … es war ja auch nur dieses eine Mal.«
»Aber … «, setzt Filly an.
»John ist Ellens Vater«, sage ich mit fester, sicherer Stimme. Ich frage mich, wie ich je daran zweifeln konnte.
»Aber … «, startet Filly noch einen Versuch.
»Und ich muss dafür sorgen, dass er zu mir zurückkommt. « Ich stehe auf und sehe ihr in die Augen. »Für Ellen. Wirst du mir helfen?« Bitte, Filly, sei auf meiner Seite. Auf Ellens Seite. Auf unserer Seite.
Filly öffnet den Mund, klappt ihn wieder zu. Schüttelt den Kopf. Doch dann sieht sie mich an und nickt. Ein kaum sichtbares Nicken, aber das genügt mir schon. Ich schließe erleichtert die Augen. Ich bin wieder auf Kurs. Es ist zwar ein leicht veränderter Kurs, aber nichtsdestoweniger ein Kurs. Jetzt muss ich nur noch weiterlaufen, bis ich die Ziellinie erreicht habe.
19
Ich habe zwar wieder einen Plan, aber es ist eine wackelige Angelegenheit, als würde ich eine
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