Und plotzlich ist es Gluck
zustößt.
Ich habe Angst davor, John von Red Butler zu erzählen.
Ich habe Angst davor, herauszufinden, wer Ellens Vater ist.
Ich habe Angst, dass Sofia erfährt, dass Red womöglich Ellens Vater ist.
Es sind so viele Ängste, dass ich kurz überlegen muss, welche davon ich Simon anvertrauen darf.
»Davor, diese Stelle nicht zu bekommen.« Ich kann ihm sogar in die Augen sehen, als ich das sage, denn es stimmt,
es ist eine meiner großen Ängste. Aber beileibe nicht die größte, was ich seltsamerweise tröstlich finde.
»Tja, ich schätze, wir haben genug gehört«, sagt er mit einem Blick in die Runde. Raymond und Philip nicken; Roger scheint eingeschlafen zu sein, obwohl man das wegen seiner getönten Brille nicht genau feststellen kann. Simon beugt sich über den Tisch und reicht mir den Knopf.
»Oh, danke.« Ich lasse ihn rasch in der Jackentasche verschwinden. »Den muss ich gleich annähen.«
»Ich glaube, Sie müssen sich einen neuen Blazer zulegen«, sagt Simon. Ich sehe zu ihm hoch, doch wegen seiner Schlupflider und Hamsterbacken ist es praktisch unmöglich, in seiner Miene zu lesen, was er wohl denkt, oder ob er überhaupt etwas denkt. Doch er wirkt misstrauisch. Ich bin überzeugt, dass er es weiß. Das mit Ellen. Ich erhebe mich, wobei ich mir schützend den Laptop vor den Bauch halte.
»Wir melden uns, Scarlett«, verspricht Raymond mit dem ihm eigenen mädchenhaften Grinsen. Dann blickt er zu Simon, als wüsste er nicht recht, ob es ihm überhaupt zusteht, das zu sagen.
Simon nickt und lächelt sein schmallippiges Lächeln, und damit bin ich entlassen. Ich gehe nur in mein Büro, um Blue und meine mit Erbrochenem gefüllte Aktentasche zu holen. Elliot und Filly haben mich zwar gebeten, ihnen umgehend Bericht zu erstatten, aber ich bin zu müde. Nein, ich bin mehr als müde. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Nachdem ich monatelang – jahrelang – kaum eine Nacht durchgeschlafen habe, will ich mich jetzt nur noch hinlegen und die Augen schließen, und ich bin ziemlich sicher, dass es nicht erforderlich sein wird, irgendwelche Tiere zu zählen oder das Alphabet rückwärts aufzusagen oder im Geiste meine Schuhe nach Absatzhöhe zu sortieren.
Unten an der Rezeption steht Sofia, besser gesagt, sie
hängt über dem Tresen, und ihr dunkler Haarschopf berührt beinahe Haileys ergrauenden Bob. Ich meine, Hailey lachen zu hören. Ganz sicher bin ich nicht, denn ich habe sie bislang noch kein einziges Mal lachen gehört. Einen Augenblick ziehe ich in Erwägung, einfach an den beiden vorbeizuhuschen, doch es ist zu spät. Sie haben mich bemerkt und fahren auseinander wie zwei mit heißem Wasser übergossene Katzen.
»Herrgott, Scarlah, schleich dich doch nicht so an! Das gehört sich nicht.« Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt meinen, Sofia wäre nervös. Ich sehe zu Hailey, die so tut, als würde sie einen Anruf entgegennehmen. Zwei rote Flecken zieren ihre Wangen.
»Ich wollte gerade gehen«, sage ich, und obwohl es gerade mal vier Uhr nachmittags ist, spricht mich keine von beiden darauf an. »Hatten wir einen Termin, Sofia?«
»Äh, nein … Ich war nur gerade in der Gegend … und ich hatte Hails versprochen, ihr meine Wham!-Sammlung zu zeigen.«
Hails? Wham!-Sammlung? In der Gegend? Sofias Büro ist in Finglas. Was zum …?
Das Telefon klingelt, und Hailey stürzt sich darauf. Ich trete näher und erspähe die Ecke eines offenbar signierten Wham!-Posters sowie die obere Hälfte einer Boxer-Short.
»Hailey hat Andrew Ridgeleys T-Shirt von der Club-Tropicana-Tour«, erzählt Sofia, die sich mittlerweile wieder gefangen hat. »Mit den Original-Schweißflecken und so.« Sie blickt lächelnd auf Hailey hinunter. Diese scheint mich völlig vergessen zu haben und schenkt Sofia ihrerseits ein von einer Zärtlichkeit erfülltes Lächeln, wie ich es selten gesehen habe. Nicht zu fassen, dass etwas so Profanes wie George Michaels Unterhosen eine derartige Verbundenheit zwischen zwei Leuten hervorrufen kann.
Ich räuspere mich. »Also, ich gehe jetzt. Bye.«
Hailey will nicht einmal wissen, wohin ich gehe, obwohl ich ihr keine E-Mail geschickt habe, um sie davon in Kenntnis zu setzen, dass ich das Haus verlasse, wie ich das eigentlich tun sollte. Sie sagt lediglich »Bye«, als wäre alles ganz normal. Als säße ich wie üblich arbeitend in meinem Büro, und als würde sie kein Wham!-Schweißband um das Handgelenk tragen.
»Bis demnächst, Scarlah«, sagt Sofia, die mich weder
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