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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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Ausdruck für die Menstruation. Ich würde ja über die Ironie lachen, wenn ich mich nicht so krampfhaft darauf konzentrieren müsste, mich nicht zu übergeben.
    Ich nehme das Glas Wasser entgegen und leere es in einem Zug. In der Stille ist jeder meiner Schlucke deutlich zu hören. Ich stelle das Glas auf den Tisch, worauf sich Simon zu mir rüberbeugt, das Glas anhebt und den kreisförmigen Abdruck des Kondenswassers mit einem Taschentuch abwischt. Dann kramt er in sämtlichen verfügbaren Schubladen demonstrativ nach einem Untersetzer, den er schließlich unter das Glas schiebt. Die ganze Szene dauert keine halbe Minute, fühlt sich aber bedeutend länger an.
    »A-a-a-a-a-also, Scarlett«, sagt Philip, »w-w-w-werden wir eine P-p-p-p-powerPoint-Präsentation sehen?« Philip liebt PowerPoint-Präsentationen.
    »Ja«, sage ich und klappe meinen Laptop auf. »Ich muss nur schnell meinen Computer anschließen …« Ich stecke den Laptop ein, lasse ihn hochfahren und drehe mich zu der Projektionswand um, die an der Stirnseite des Raumes hängt. Jedenfalls hing sie bei meinem Probedurchlauf am Freitag noch dort. Jetzt ist sie weg. Ich blinzle. Es nützt nichts. Sie ist nicht da. Ich drehe mich zu den vier Männern in ihren dunklen Anzügen um. Acht Augen sind erwartungsvoll auf mich gerichtet.
    »Ich … Die Leinwand … Am Freitag war sie noch da. «
    »Ach, ich habe ja ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass Gladys sie vorhin mitgenommen hat, weil sie bedauerlicherweise
repariert werden muss«, sagt Simon. Er klingt kein bisschen, als würde er es bedauern.
    »Aber … letzte Woche war sie noch in Ordnung.« Ich versuche verzweifelt, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen.
    »Sie können doch einfach improvisieren, Scarlett.« Simon lehnt sich zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf.
    Die anderen nehmen sich ein Beispiel an ihm und tun es ihm nach, bis auf Roger, dessen Arme nicht so weit nach hinten reichen.
    Improvisieren gehört nicht zu meinen Stärken, aber ich habe keine andere Wahl. Ich würde lieber stehen, aber Ellen ist unter dem Tisch versteckt, und dort muss sie für die Dauer dieses Gesprächs auch bleiben.
    »Lassen Sie mich nur kurz …« Ich beuge mich zur Seite und beginne unter den Blicken der vier Vorstandsmitglieder, heftig auf meiner Computertastatur herumzutippen, während ich versuche, mir in Erinnerung zu rufen, in welchem Ordner ich die Präsentation abgespeichert habe und wie mein Notfallplan aussah. Ich hatte mir doch bestimmt einen zurechtgelegt, oder?
    Als ich mich wieder aufrecht hinsetze, passiert das Unglück – der mittlere Blazerknopf löst sich mit einem unberhörbaren »Plopp« vom Stoff, hüpft über den polierten Mahagonitisch und bleibt direkt vor Simon liegen. Dieser nimmt ihn zur Hand und betrachtet ihn. Er sieht mich an, und ich sehe, was er sieht. Zwischen dem obersten und dem untersten Knopf klafft mein Blazer auseinander, und Ellen wölbt sich himmelwärts wie ein Hefeteig im Backofen. Ich lehne mich hastig zurück, ohne zu bedenken, dass ich auf dem Stuhl sitze, der »Furzsessel« genannt wird. Ein hohes, kompromittierendes Pfeifen ertönt, und die Herren
Vorstände rutschen auf ihren Stühlen herum, ohne mir ins Gesicht zu sehen, das zweifellos erdbeerrot angelaufen ist.
    Ich stürze mich ohne Vorwarnung Hals über Kopf in meine Präsentation. In Ermangelung einer Leinwand sehe ich mich weiterhin den glasigen Blicken der vier Männer ausgesetzt. Ich klebe auf meinem Stuhl, verstecke mich, so gut es geht, hinter meinem Laptop und kämpfe mich mühsam Zeile für Zeile, Seite für Seite durch das Skript. Meine Zuhörer lauschen mir schweigend, und nur, als ich versehentlich »Herde« statt »Pferde« sage, unterbricht mich Raymond mit einem entschuldigenden Lächeln. »Sie will vier rosarote Herde, sagen Sie?« Als ich später meine Präsentation auf Fehler überprüfe, stelle ich fest, dass ich mich tatsächlich vertippt hatte.
    Nachdem ich geendet habe, bombardiert mich Simon mit einer Reihe von Fragen. Ich beantworte jede einzelne, und wenn ich mir selbst zuhöre, muss ich sagen, ich klinge, als wüsste ich, wovon ich rede. Selbst als er mir die ganz abgedroschenen Fragen stellt, etwa die nach meiner größten Schwäche (Perfektionismus) und nach meiner größten Stärke (Perfektionismus). Ich weiß, dass ich es geschafft habe, als er mich fragt, wovor ich am meisten Angst habe. Ich gehe die Liste in meinem Kopf durch.
    Ich habe Angst, dass Ellen etwas

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