Und Rache sollst du nehmen - Thriller
andere kannten ihn. Nicht zu übersehen.
Er nickte einigen zu, winkte anderen und schenkte wieder anderen ein höhnisches Grinsen.
Eine Chance. Gib mir nur eine Chance. Doch es musste
eine gute Chance sein. Unnötige Risiken würde ich nicht eingehen, aber eine gute Gelegenheit würde ich beim Schopfe packen. Oh ja, ganz bestimmt.
Mittlerweile war es dunkel. Nicht stockdunkel, aber ziemlich dunkel. Und es wurde immer dunkler.
Wir hatten die Außenbezirke von Baillieston erreicht. Der kleine Mann erhob sich und pflanzte sich breitbeinig auf. Dann fing er an zu brüllen.
»Bei der Nächsten, Chef!« Offenbar wollte der kleine Mann aussteigen.
Der Bus bremste, drei weitere Passagiere gingen von Bord, und in der letzten Sekunde stand ich ebenfalls auf und sprang ins Freie. Ich hatte das alles nicht so geplant, aber wer sollte mich schon bemerken oder sich für mich interessieren?
Er schlenderte in die eine Richtung, ich in die andere. Aber natürlich nicht sehr weit. Bei der erstbesten Gelegenheit drehte ich um und lief zurück. Und da vorne stolzierte er auch schon, der kleine Mann, wie der König der verdammten Straße. Das miese kleine Arschloch war knapp hundert Meter vor mir. Kein Zweifel, er war es.
Ein paar Jungs kamen angerannt und hielten ihn auf. Aus dieser Entfernung wirkten sie kaum älter als vierzehn oder fünfzehn. Der kleine Mann steckte die Hände in die Taschen, zog etwas heraus und markierte den Obermacker. Die Jungs verschwanden.
Kurz darauf verschwand auch der kleine Mann. Natürlich in einem Pub, der Brig Tavern. Ich folgte ihm nicht. Nie im Leben hätte ich so einen Laden betreten
können, ohne unangenehm aufzufallen. Der Alarm wäre losgegangen, sobald ich den Fuß auf die Schwelle gesetzt hätte. Das konnte ich mir nicht leisten. Ich umkreiste die Kneipe in weiten Schleifen, mit hochgezogenen Schultern und hoffentlich unbemerkt.
Bei der dritten Runde sah ich ihn aus der Bar kommen. Er taumelte. Ein erfreulicher Anblick.
Neben dem Pub bog er scharf rechts auf das verwilderte Grundstück ein, das dahinter lag. Eine Abkürzung. Kalte Asche, Glasscherben, versprengte Einkaufswagen, Hundescheiße und Bäume. Und fünfzig Meter finsterste Finsternis vor dem nächsten Licht.
Ein glücklicher Zufall.
Meine Chance.
Ich rief ihm hinterher. Ich hörte meine Stimme, bevor ich begriff, was ich da eigentlich tat.
»Hey, kleiner Mann!«
Er wurde langsamer und blieb schließlich ganz stehen. Dann blickte er sich über die Schulter um. Bestimmt fragte er sich, wer sich hier erfrechte, ihn » klein« zu nennen, auch wenn es eine unbestreitbare Tatsache war. Er musterte mich von oben bis unten, offenbar ohne eine Bedrohung auszumachen. Vor allem wirkte er neugierig. Wahrscheinlich war ich eine eher ungewohnte Erscheinung in der Gegend.
Ich zog etwas Geld aus der Tasche. Eine spontane Eingebung. Der kleine Mann kniff die Augen zusammen und kam näher. Tatsächlich hatte er es damit auf einmal ziemlich eilig.
Jetzt hielt ich die Scheine eng vor die Brust, als wollte
ich sie verbergen. Das gefiel ihm. Er kam noch näher. Er kam zu mir.
Ich drückte mich in den Schatten des nächsten Gebüschs. Auch das gefiel dem kleinen Mann. Nur noch eineinhalb Meter. Ich konnte seine Augen erkennen, er konnte meine erkennen. Er grinste. Das Mäusefressergrinsen.
Dann blickte ich mich um. Er dachte, ich würde mich vergewissern, dass niemand außer uns hier war, und damit hatte er gar nicht mal Unrecht. Ihm wurde warm ums Herz, doch damit lag er falsch.
Er streckte die Hand nach der Kohle aus. Ich lächelte und schüttelte den Kopf, winkte ihn noch näher heran und steckte das Geld in die Innentasche. Er kam näher. Nah, sehr nah.
Er grinste. Ich lächelte.
Ich fasste in meine Jacke, packte das Messer und trieb es in seine Brust. Einmal. Zweimal. Dreimal. Ich zerrte ihn zu mir und rammte ihm die Klinge tief in den Bauch. Jetzt war der kleine Mann gar nicht mehr so groß. Jetzt guckte er ganz anders aus der Wäsche. Überrascht.
Und tot.
Ich schubste ihn von mir weg und sah zu, wie er auf den Rücken klatschte.
Zweimal fuhr ich ihm mit dem Messer über die Kehle, bevor ich das blutige Metall an seinem Gesicht abwischte. Seine Augen waren aufgerissen, sein Mund auch. Merkwürdig. Zumindest hatte ich nicht damit gerechnet.
Ich kramte in meiner Tasche und holte die Gartenschere heraus, schnitt ihm den Finger ab und steckte ihn ein.
Erledigt.
Mir war kalt, mein Atem ging schwer, aber verschwitzt war ich
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