Und Sei Getreu Bis in Den Tod: Mitchell& Markbys Letzter Fall
aussehen ließ wie ein Kinderspielzeug. Der Eindruck wurde noch verstärkt von dem fröhlichen Lächeln, das zu allen Zeiten auf seinem Gesicht stand, gleich unter welchen Umständen.
»Guten Morgen, guten Morgen!«, begrüßte er Alan und Jess Campbell. »Was haben wir hier?«
Sie traten zurück und ließen ihm Raum, damit er seine vorläufige Untersuchung durchführen konnte. »Das war ein schlimmer Schlag«, sagte er, als er die Kopfwunde begutachtet hatte. »Allerdings bezweifle ich, dass er sie umgebracht hat. Ich mache mich so schnell wie möglich an die Obduktion. Haben Sie sich bereits mit dem Büro des Coroners in Verbindung gesetzt?«
»Mache ich sofort, Sir«, sagte Jess.
»Dann, vorausgesetzt der Coroner ist einverstanden, mache ich es noch heute Nachmittag.« Fuller erhob sich wieder. »Wir haben an diesem Wochenende ein wichtiges Familientreffen. Ich hätte gerne die Arbeit aus den Füßen.«
Es war Ostersamstag. Markby stellte fest, dass er es, wohl unter den gegebenen Umständen, völlig vergessen hatte. Doch es war ein langes Wochenende, viele Kinder hatten Ferien, und nicht nur Fullers Familie hatte Besuche arrangiert. Auch die Mitglieder des Teams, das zusammengestellt werden musste, um diesen unerwarteten Todesfall zu untersuchen. Niemand wäre sonderlich glücklich darüber. Markby dämmerte schuldbewusst, dass er und Meredith heute bei seiner Schwester zum Mittagessen eingeladen waren. Paul, sein Schwager, war ein gelernter Koch und Kochbuch-Autor. Das Essen dort war stets ein Genuss, und Paul pflegte vorher einen halben Tag lang in der Küche zu stehen und Köstlichkeiten zu kreieren. Köche konnten ziemlich temperamentvoll werden, und Paul bildete da keine Ausnahme. Wenn sie heute überhaupt noch zu seiner Schwester kamen, würde es auf jeden Fall spät werden. Das Mittagessen war ohne den geringsten Zweifel ruiniert.
Es ist schön, Familie zu haben, dachte Markby, aber es hat auch seine Stolperfallen. Gestern hatten er und Meredith sich über die Jenners unterhalten. Dort stand Fuller. Es war allseits bekannt, dass der Pathologe ein Familienmensch war. Er hatte drei äußerst talentierte musikalische Töchter, die Markby ausnahmslos schrecklich fand. Markby selbst war total unmusikalisch. Die Unterhaltung mit einer der Fuller-Töchter war für ihn die reinste Qual. Sie wussten von seiner musikalischen Inkompetenz und behandelten ihn freundlich und nachsichtig wie jemanden, der an einer schweren Behinderung litt.
»Waren Sie schon oben im Haus?«, fragte Markby an Jess gewandt.
»Noch nicht, Sir. Mr Jenner war noch hier unten, als ich ankam. Er hatte den einheimischen Arzt bei sich. Jenner identifizierte den Leichnam seiner Tochter, und der Arzt bestätigte, dass sie tot war, bevor er zum Haus zurückrannte. Mrs Jenner ist offensichtlich zusammengebrochen, und ein Mr Smythe, der über das Wochenende zu Besuch ist, hat sie zum Haus zurück begleitet, deswegen habe ich keinen von beiden gesehen. Es war Mr Smythe, wenn ich richtig informiert bin, der den Arzt zu Mrs Jenner gerufen hat.«
Markby schwieg für einen Augenblick. »Ich habe erst am Freitag bei den Jenners am Tisch gesessen«, sagte er schließlich. »Ich gehe besser nach oben und spreche ihnen mein Beileid aus. Ich überlasse es Ihnen, die Aussagen der Jenners zu Protokoll zu nehmen.«
Die Haushälterin hatte verweinte Augen. Sie führte Markby in ein Arbeitszimmer, wo er Jeremy Jenner und Toby fand. Jenner war ganz grau und sah genauso alt aus, wie er war, achtundsechzig. Markby hatte die Auswirkungen eines schweren Schocks und eines großen Verlustes schon früher gesehen. Es war immer bemitleidenswert, doch bei diesem Mann, den Markby so selbstbewusst erlebt hatte, voller Kontrolle über seine Umgebung und sein Leben, war es erschütternd. Jenner war wie eine Gestalt aus einer griechischen Tragödie. Er schien körperlich geschrumpft zu sein, als er sich erhob, um Markby zu begrüßen. Alison war nirgends zu sehen.
Nun, da ein Außenseiter angekommen war, gelang es Jenner, wenigstens ein klein wenig seiner normalen Haltung zu finden. Es musste ihn übermenschliche Anstrengung kosten. Er schüttelte Markby die Hand und nahm dessen Beileidsbekundung mit einer Ruhe entgegen, die sehr gezwungen wirkte.
»Wie geht es Ihrer Frau?«, fragte Markby.
»Meiner Frau?« Für einen Moment sah Jenner wütend aus, als wäre die Frage unverschämt. Dann schüttelte er den Kopf. »Sie ist erschüttert, natürlich. Sehr erschüttert. Wir mussten
Weitere Kostenlose Bücher