Und Sei Getreu Bis in Den Tod: Mitchell& Markbys Letzter Fall
Natürlich hat sie – hatte sie jedes Recht, ihre Angelegenheiten für sich zu behalten. Wir waren uns nie sehr nah, Fiona und ich. Es tut mir zwar Leid, aber es ging wohl nicht anders. Sie wuchs bei ihrer Mutter auf, größtenteils in Frankreich.« Jenner rieb sich nervös die Hände. »Ich möchte, dass Sie verstehen, Alan. Meine Absicht war lediglich, den Ruf meiner Tochter zu schützen. Deswegen habe ich Toby gebeten, heute nach London zu fahren. Ich habe ihm nicht genau gesagt, was er dort tun soll, und das war sicherlich unfair von mir, aber ich dachte, falls sich herausstellt, dass alles nur meine wilde Einbildung ist, dann ist es umso besser, keine Gerüchte in die Welt zu setzen.«
»Gerüchte? Worüber?«, fragte Markby geduldig.
»Vor einigen Wochen war ich in London und hatte die Idee, Fiona zu besuchen, nur um zu sehen, wie sie in ihrer Wohnung zurechtkam. Ich rief auf ihrer Nummer an, um ihr Bescheid zu sagen, dass ich komme, und eine junge Frau ging ans Telefon. Ich habe ihr nicht gesagt, wer ich bin. Ich fragte nur, ob Miss Jenner zu Hause wäre. ›Fi ist nicht da. Ich bin Tara. Soll ich ihr etwas ausrichten?‹, fragte sie. Ich sagte Nein und entschuldigte mich für die Störung. Ich sagte, ich wäre von der Bank, und es ginge um eine Routinesache. Sie wissen schon, wie Banken heutzutage ihre Kunden anrufen und versuchen, irgendetwas zu verkaufen, angefangen bei Hausratversicherungen bis hin zu Gesundheitsplänen. Ich habe Fiona nichts davon erzählt. Aber ich fing an nachzudenken. Sie rief immer irgendjemanden von ihrem Mobiltelefon aus an, wenn sie hier war, und sie bekam Anrufe. Sie versuchte immer, sie zu verheimlichen. Dann gab es überhaupt keine nahe stehenden männlichen Freunde. Ich muss sagen, ich war erfreut, dass sie mit dem jungen Toby so gut zurechtkam, aber ich fürchte, irgendwie hat sich die Idee in meinem Kopf eingenistet, dass sie Frauen bevorzugte. So, jetzt habe ich es gesagt.«
»Und Sie wollten sicher sein, deswegen haben Sie Toby in Fionas Wohnung geschickt, vor der Polizei, wie Sie hofften.« Markby schüttelte den Kopf. »Das war dumm, Jeremy. Sie haben Smythe in eine schwierige Situation gebracht.«
»Es ist ganz allein meine Schuld«, sagte Jenner vehement. »Toby ist ein anständiger Junge. Er wollte mich nicht hängen lassen.«
»Nun dann«, sagte Markby. »Hoffen wir, dass Inspector Campbell vor Toby dort war.«
Markby verließ Overvale House und zögerte kurz, als er vor seinem Wagen stand. Er war wütend auf Jeremy Jenner, weil dieser Informationen zurückgehalten hatte und Jess Campbell daher unvorbereitet zu der Londoner Wohnung von Jenners Tochter gefahren war. Er war noch wütender darüber, dass Jenner Toby nach London geschickt hatte und dass Toby sich einverstanden erklärt hatte. Falls Toby einen Schock bekam, sobald er die Wohnung betrat, dann geschah es ihm recht! Markby brauchte plötzlich dringend frische Luft. Er wanderte über den Rasen hinunter in Richtung See.
Der See lag verlassen, als Markby dort eintraf. Spuren von Aktivitäten der Polizei waren noch zu sehen, Reste von Absperrband, die zertrampelt im Dreck lagen oder an Bäumen hingen. Er fragte sich, warum Stebbings die Reste nicht entfernt hatte, aber vielleicht mied Stebbings die Stelle. Markby hatte herausgefunden, dass die Menschen auf zweierlei Weise auf einen Mordschauplatz reagierten. Entweder wurden sie angezogen, getrieben von einer schaurigen Faszination, oder sie schlugen einen Bogen von einer Meile, um ja nicht in die Nähe zu kommen. Der Leichnam war schon lange weg, doch er blieb eine unsichtbare Präsenz, ein rastloser Geist. Selbst jetzt fühlte sich Markby noch, als würde er beobachtet. Er schüttelte den Gedanken als Resultat seiner Fantasie ab.
Das Minizelt war verschwunden, das über dem Reifenabdruck errichtet worden war. Es sah nicht danach aus, als würde ihnen der Reifenabdruck nutzen. Die Taucher hatten nichts im See gefunden. Sie suchten an der falschen Stelle. Der Leichnam des Mädchens war hier abgeladen worden, nachdem der Mord an einer anderen Stelle geschehen war. Nein, nicht abgeladen, verbesserte sich Markby. Künstlerisch im See arrangiert, nach den Worten von Stebbings. Sie hatten nur das Wort des Gärtners, mehr nicht. Niemand außer Stebbings hatte die Tote im Wasser gesehen. Als die Familie am Schauplatz eingetroffen war, hatte die Tote bereits am Ufer gelegen, aus dem See gezogen von Stebbings, und bis die Polizei eingetroffen war, hatten sich noch mehr
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