Und taeglich grueßt die Evolution
die Kinder erst lernen. Doch die Neugier, die sie dazu treibt, ist angeboren. Der Sinn dieses Verhaltens liegt auf der Hand: Ein neugieriges Lebewesen erkundet seine Umgebung, macht sich mit neuen Situationen und Gegenständen vertraut und lernt dabei ständig.
Angst bremst Neugier aus
Allerdings wäre eine ungebremste Neugier auch riskant. Wer sich bedenkenlos in neue Situationen stürzt, lebt gefährlich. Um die Neugier im Zaum zu halten, ist den Menschen und Tieren daher eine gewisse Angst vor allem Neuen angeboren. So reagieren vor allem kleinere Kinder misstrauisch und reserviert auf Fremde und auf unbekannte Gegenstände oder Situationen. Nicht wenige Kinder wollen an ihrem ersten Kindergartentag weinend wieder nach Hause, weil sie sich von den neuen Eindrücken überfordert fühlen.
Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum haben den Zusammenhang zwischen Neugier, Angst und Lernen genauer untersucht. Mit einem an die Eltern gerichteten Fragebogen haben sie zunächst die Ängstlichkeit und Neugier jedes teilnehmenden Kindes eingeschätzt. Dann haben sie getestet, ob die als besonders neugierig eingestuften Kinder in bestimmten Situationen besser klarkommen als die ängstlichen. Bei diesen Versuchen ist durchaus Überraschendes herausgekommen. Andere Studien waren zuvor zu dem Ergebnis gelangt, dass Angst für viele geistige Leistungen eher hinderlich ist. Doch wenn die Bochumer Kinder nach Ende eines Puppenspiels nach den Fakten gefragt wurden, die sie behalten hatten, so schnitten neugierige und nicht neugierige, ängstliche und mutige Kinder ähnlich gut ab. Sollten sie die Zusammenhänge des gezeigten Stücks wiedergeben, hatten sogar gerade die ängstlichsten unter den Vier- bis Fünfjährigen offenbar am meisten verstanden. Die Bochumer Forscher vermuten, dass sich die ängstlichen Kinder beim Puppenspiel ganz auf die Handlung konzentrieren, während die mutigeren eher mit Fragen und Gängen zur Bühne beschäftigt sind.
Anders sieht die Sache aus, wenn die Kinder nicht als Zuschauer agieren, sondern aktiv ein Problem lösen sollen. So haben die Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum in einem weiteren Test Kindern verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, mit denen sie eine oberhalb ihrer Reichweite aufgehängte Schachtel erreichen sollten. Um diese Aufgabe zu lösen, mussten die Kinder schrittweise vorgehen und zum Beispiel aus verschiedenen Teilen eine Kiste bauen und verschiedene Holzstäbe ineinanderstecken. Dabei schafften die neugierigen Kinder mehr Teilschritte als die weniger neugierigen und die mutigen mehr als die ängstlichen. Selbst die ängstlichsten Teilnehmer aber schnitten bei dem Versuch gut ab, wenn sie gleichzeitig neugierig waren. Neugier kann also offenbar helfen, die eigene Angst zu überwinden und die Fähigkeiten zum Problemlösen zu verbessern.
Lernen braucht Sicherheit
Ob Angst oder Neugier überwiegen, ist bei jedem Kind verschieden; auch bei Tieren ist keineswegs jede Ratte, jede Katze oder jeder Hund gleich neugierig. Was aber löst diese Unterschiede aus? Genetische Einflüsse mögen damit zu tun haben, doch viele Studien zeigen auch, dass die Umwelt eine wichtige Rolle spielt. Entscheidend ist offenbar, ob ein Tier oder ein kleines Kind eine zuverlässige Basis hat, von der aus es seine Umgebung erkunden kann. Bei vielen Arten spielt die Mutter diese entscheidende Rolle, es können aber auch beide Elternteile oder die gesamte Gruppe sein.
Wenn Affenkinder einen neuen Gegenstand entdeckt haben, machen sie zunächst vorsichtig ein paar Schritte darauf zu. Irgendwann wird dann die Angst zu groß, sie rennen zur Mutter zurück und klammern sich an sie. Das scheint den kleinen Entdeckern so viel Sicherheit zu geben, dass sie später einen zweiten Versuch wagen – und dann einen dritten und vierten. Wenn das unbekannte Objekt schließlich erreicht ist, fangen sie an, es zu untersuchen und damit zu spielen. So lernen sie seine Eigenschaften und seinen möglichen Nutzen kennen. Wächst ein Affe dagegen isoliert auf, so fehlt ihm seine Sicherheitsbasis und er verhält sich in neuen Situationen extrem ängstlich. Dadurch lernt er viel weniger über seine Umgebung als seine selbstbewussteren Artgenossen.
Obwohl sie grundsätzlich angeboren ist, tritt Neugier also nicht automatisch auf. Entscheidend ist die Kombination aus Anregung und Sicherheit. Wissenschaftler nennen eine solche Umgebung, die bei Menschen und Tieren Neugier und Spielverhalten fördert, ein
Weitere Kostenlose Bücher