Und taeglich grueßt die Evolution
Serien zu durchsuchen, um auch vor einem in sportlicher Hinsicht relativ langweiligen Spiel Spannung aufzubauen. Noch augenfälliger wird die Medienmacht, wenn Zeitungen und Fernsehen auf dürftiger Datengrundlage die mögliche Ausbreitung irgendwelcher Epidemien und Seuchen diskutieren und damit ein Risiko beschreiben, das sich häufig als völlig überhöht erweist.
HIERARCHIE DER RISIKEN
Die Technik wird immer umfangreicher und komplizierter. Wenn ein wirkliches Problem auftritt, melden die technischen Systeme heute nicht mehr einen kritischen Wert, sondern signalisieren gleich zehn oder zwölf. Es entstehen »Alarmschauer«, die den Bediener mit ihrer hohen Informationsdichte rasch überfordern können. Die Fülle von Überwachungsinstrumenten könnte dadurch die Katastrophe, die sie eigentlich verhindern soll, noch verstärken.
Eine Rettung vor dem Alarmschauer sehen die Experten in einer »Hierarchisierung« der Probleme, bei der zunächst nur die wichtigsten Fehler angezeigt werden. Fällt die Turbine eines Verkehrsflugzeuges aus, wird zunächst nur dieser Fehler angezeigt, während der weniger dramatische Ausfall des Video-Unterhaltungssystems an Bord ignoriert wird. Auf diese Weise lassen sich die Risiken moderner hochkomplizierter Techniken erheblich mindern.
Netter als gedacht: Selbstlosigkeit ist relativ neu
Zu den typisch menschlichen Eigenschaften, die uns vom Tier unterscheiden, zählt die Selbstlosigkeit, der Altruismus. Individuen handeln selbstlos, wenn sie beispielsweise für Menschen, die ihnen persönlich vollkommen unbekannt sind, Blut spenden oder wenn sie Bedürftigen einen Teil ihres Geldes oder ihrer Kleidung zur Verfügung stellen, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erwarten. Solche Verhaltensweisen widersprechen anscheinend einem der Grundprinzipien der Evolutionstheorie, nämlich dem »Survival of the fittest«, das die größere Durchsetzungsfähigkeit des egoistischen Verhaltens postuliert.
Eine gewisse Form der Selbstlosigkeit gibt es auch im Tierreich. Wenn eine Arbeiterbiene eine Nektarquelle entdeckt, behält sie dieses Wissen nicht für sich, sondern teilt es den anderen Bienen, die bei der Futtersuche weniger Glück hatten, durch einen ausgefeilten Schwänzeltanz mit. Diese Kooperation ist sinnvoll, denn nur gemeinsam gelingt es dem Stock, den Nachwuchs großzuziehen: Die Königin legt als einzige Eier, die anschließend von den Arbeiterinnen versorgt werden. Wenn der Bienenstock angegriffen wird, opfern die Bienen ihr Leben, wenn sie einen gefährlichen Eindringling stechen und der Stachel mit dem gesamten Giftapparat aus ihrem Körper herausgerissen wird. Trotzdem handelt es sich bei diesem Verhalten nicht um Altruismus im eigentlichen Sinne.
Wellen der Hilfsbereitschaft
Denn die Arbeiterinnen im Bienenstock sind untereinander alle Halbschwestern. Weil auch die Brut Halbgeschwister sind, hilft die vermeintliche Selbstlosigkeit den Tieren, einen Teil ihres eigenen Erbguts weiterzugeben. Opfern sie also Stachel und Leben, tragen sie dazu bei, dass sich ihre eigenen Erbeigenschaften durchsetzen können, womit sie das Prinzip des »Survival of the fittest« eher bestätigen als dementieren. Da mit ihren Erbeigenschaften auch die Anlagen zur Selbstaufopferung weitergegeben werden, wird sich dieses Verhalten auch auf Dauer durchsetzen.
Im Unterschied zu den Bienen helfen Menschen manchmal auch dann, wenn sie mit den anderen nicht verwandt sind und sie nicht einmal kennen. Als an Weihnachten 2004 ein Tsunami an den Küsten von Süd-Indien, Sri Lanka, Thailand und Indonesien über 200 000 Menschen tötete und noch viel mehr Menschen ihren gesamten Besitz zerstörte, kam es weltweit zu einer beeindruckenden Spendenaktion. Den Geldgebern ging es nicht nur darum, ihre betroffenen Landsleute in den Urlaubsregionen an den Küsten Süd-Asiens zu helfen, sondern ebenso sehr um die Einheimischen, mit denen sie in der Regel weder verwandt noch bekannt waren. Im Sinne der Evolutionstheorie verbesserten ihre Spenden die Chancen des eigenen Erbgutes sicherlich nicht. Auch von Kooperation konnte keine Rede sein, denn die Helfer erwarteten schließlich keine Gegenleistung.
Altruismus im Kleinkindalter
Um herauszufinden, wie sich die Fähigkeit zum Altruismus beim Menschen entwickelt haben könnte, untersuchen Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig das Verhalten kleiner Kinder. Obwohl sie im Alter von 18 Monaten noch Windeln tragen, zeigen
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