Und taeglich grueßt die Evolution
davon fanden sich sogar noch Spuren von Zahnschäden, die mit der Behandlung offenbar therapiert werden sollten. Für die Patienten waren diese Eingriffe nicht gerade angenehm, denn die steinzeitlichen Zahnärzte arbeiteten mit Feuerstein-Bohrern, die sich von Hand nicht sehr schnell drehen lassen – und je langsamer die Drehung, desto größer der Schmerz.
Einer nicht weniger martialischen Behandlung musste sich vor 5000 Jahren ein Mensch aus dem Neolithikum unterziehen, dessen Überreste in Kruckow in Mecklenburg-Vorpommern geborgen wurden: In stundenlanger Geduldsarbeit wurde ihm der Schädel geöffnet – mit nichts als einer scharfen Feuersteinklinge als Operationsbesteck. Aus ganz Europa kennen Wissenschaftler insgesamt etwa 450 steinzeitliche Schädel, die zu Lebzeiten geöffnet wurden. Experten nennen eine solche Operation Trepanation. Heute ist das ein Routineeingriff, der von Chirurgen an deutschen Krankenhäusern jeden Tag hundertfach in 15 bis 20 Minuten durchgeführt wird. Die Steinzeit-Operateure dürften dagegen vier bis sechs Stunden beschäftigt gewesen sein. Mit ihrem Feuersteinwerkzeug schnitten sie zunächst die Kopfhaut auf, um dann den Knochen entweder großflächig abzuschaben oder eine Rille anzulegen und ein Stück aus dem Schädel herauszubrechen. Eine solche Operation kann ein Mensch durchaus ohne Narkose aushalten; manche afrikanischen Völker praktizieren die Technik noch heute. Da allerdings auch ein sehr robuster Steinzeit-Patient nach einem solchen Eingriff mindestens ein paar Tage Ruhe und Pflege benötigte, muss er in dieser Zeit von anderen Mitgliedern seiner Gruppe versorgt worden sein.
Lange Zeit haben Wissenschaftler hinter diesen aufwändigen Operationen eine Art religiösen Ritus vermutet, doch inzwischen glauben viele Forscher eher an einen medizinischen Eingriff. Vielleicht haben die prähistorischen Chirurgen damit Kopfschmerzen behandelt. Oder es könnte eine unspezifische Kur für alle möglichen Leiden gewesen sein, so wie später der Aderlass. Möglicherweise aber war die Trepanation auch eine Methode, um schwere Kopfverletzungen zu behandeln. Der Eingriff könnte zum Beispiel Entlastung gebracht haben, wenn innere Blutungen auf das Gehirn drückten. Für diese These spricht ein Schädel aus dem brandenburgischen Bölkendorf, der sowohl Spuren einer Trepanation als auch solche eines verheilten Bruchs am Hinterkopf aufweist.
Operation gelungen – Patient lebt
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie oft solche Verletzungen vorkamen und mit welchem Erfolg sie behandelt wurden, haben Wissenschaftler von der Universität Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern jeden landesweit verfügbaren Schädel aus der Zeit zwischen 4100–1800 v.Chr. eingehend untersucht. Die Ergebnisse sind verblüffend: Immerhin sechs von 113 Schädeln zeigten deutliche Spuren der Trepanation.
Überraschend ist aber auch die Erfolgsquote der Eingriffe. Erkennen lässt sie sich daran, wie weit die Knochenränder nach der Operation wieder verheilt sind. Offenbar ist nur einer der sechs Operierten bei dem Eingriff gestorben. Zwei haben noch einige Wochen bis Monate gelebt, drei sogar mehrere Monate oder Jahre. Ähnlich erfolgreich waren die Steinzeit-Operateure offenbar auch anderenorts: Behandelte Schädel aus Dänemark zeigen zu mindestens 80 Prozent Spuren der Heilung. Im Elsass haben Archäologen sogar die etwa 7000 Jahre alten Überreste eines Menschen gefunden, der gleich zwei Schädeloperationen überstanden hat.
Es ist unwahrscheinlich, dass die damaligen Operateure von Infektionsgefahren wussten. Ihnen kam jedoch die Tatsache zugute, dass frisch geschlagene Feuersteine steril sind. Ob es Versuche gab, die Schmerzen der Patienten mit Heilkräutern zu lindern, ist unbekannt. Es liegt aber durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Menschen schon damals verschiedene natürliche Wirkstoffe kannten. Schließlich nehmen auch Tiere bestimmte Pflanzen oder Mineralien zu sich, um damit ihre Gesundheit zu stärken.
Entgiftung mit Tonmineral
Im Schutzgebiet Dzangha-Sangha im Südwesten der Zentralafrikanischen Republik kommen die Waldelefanten regelmäßig auf bestimmte Lichtungen, um dort bis zu zehn Meter tiefe Höhlen in den Untergrund zu graben. Lange haben Wissenschaftler gerätselt, was sie zu diesem seltsamen Verhalten treibt, doch inzwischen wurde das Geheimnis gelüftet: Die Elefanten suchen im Boden nach Kaolin. Dieses Tonmineral ist in Europa vor allem als Rohstoff für die
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