Und tot bist du
verbrannt war, hatte sie das Schwarze über dem Waschbecken abgekratzt und die Überreste stolz auf einen Teller gelegt.
Aber Sunday hatte Hunger. Das Essen war zwar abscheulich, doch es machte wenigstens satt. Immerhin war der Tee sehr stark, genau so, wie sie ihn mochte. Dank des Getränks wurde ihr Kopf klarer. Sie fühlte sich nicht mehr wie in einem Traum, und ihr wurde bewußt, in was für einer gefährlichen Lage sie steckte. Es war weder ein Alptraum noch ein schlechter Witz. Der Mann in der Mönchskutte hatte es – entweder allein oder mit einigen Komplizen – geschafft, ihr Auto zu manipulieren, obwohl es stets auf dem bewachten Parkplatz stand. Darüber hinaus war es ihm gelungen, ihre erfahrenen Leibwächter außer Gefecht zu setzen und sie selbst zu entführen. Offenbar war er sehr kühn und intelligent.
Das Verbrechen war vermutlich kurz nach drei Uhr nachmittags geschehen. Dan Rathers Sendung war um halb sieben, also mußte es inzwischen gegen sieben Uhr sein. Das hieß, daß sie etwa ein oder zwei Stunden bewußtlos gewesen war. Aber wo befand sie sich? Wie weit entfernt war dieser Keller vom Tatort? Sunday überlegte, daß sie sich noch in der Nähe von Washington befinden mußte. Wenn man die Witterungsbedingungen in Betracht zog, konnte ihr Entführer in dieser Zeit keine allzugroße Strecke zurückgelegt haben.
Aber wo bin ich? Und was ist das für ein Gebäude?
Hat er mich in sein Haus gebracht? Das konnte durchaus sein. Wie viele Leute sind an dieser Entführung beteiligt? Bis jetzt hatte Sunday nur den Mann in der Mönchskutte gesehen und die Stimme einer offenbar älteren Frau gehört. Doch das bedeutete noch lange nicht, daß es keine weiteren Komplizen gab. Es war zwar möglich, aber unwahrscheinlich, daß der Mann sie alleine entführt hatte. Allerdings war er ziemlich kräftig und hätte sie auch allein aus dem Auto heben und in seinen Wagen laden können.
Und dann fiel ihr die wichtigste Frage von allen ein: Was werden sie mit mir machen?
Sie betrachtete das Tablett mit der Tasse und dem Teller, das noch auf ihrem Schoß stand. Wie gerne hätte sie sich hinuntergebeugt und es auf den Boden gestellt. Der dumpfe Schmerz in ihrer Schulter wurde schlimmer, was sicher auch daran lag, daß sie mit einer Wäscheleine in einem feuchtkalten Keller an einen Stuhl gefesselt war. Bestimmt hatte sie bei dem Sturz von Appleby doch mehr als einen bloßen Bluterguß davongetragen. Warum hatte sie die Verletzung bloß nicht röntgen lassen? Vielleicht handelte es sich ja um einen Haarriß im Knochen …
Moment mal! dachte sie. Ich mache mir Sorgen um meine Schulter, obwohl ich vielleicht gar nicht mehr lang genug leben werde, daß sie abheilen kann. Die Entführer werden mich nicht freilassen, ehe Jovunet an seinem Zielort eingetroffen ist. Und selbst wenn er in Freiheit ist, heißt das noch lange nicht, das ich gerettet bin.
»Frau Abgeordnete.«
Sundays Kopf fuhr herum. Der Entführer stand in der Tür. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Wie lange beobachtete er sie wohl schon?
»Eine kleine Mahlzeit wirkt Wunder«, sagte er amüsiert.
»Besonders nach dem Medikament, das ich Ihnen verabreichen mußte. Möglicherweise haben Sie leichte Kopfschmerzen, aber keine Angst, sie sind bald vorbei.«
Als er sich näherte und ihr fast zärtlich die Hände auf die Schultern legte, zuckte sie zusammen. »Sie haben sehr schönes Haar«, stellte er fest. »Hoffentlich muß ich nicht noch mehr abschneiden, um Ihren Mann und seine Freunde zu überzeugen, daß ich es todernst meine. Und jetzt nehme ich Ihnen das Tablett ab.«
Er stellte es auf den Fernseher. »Hände auf den Rükken«, befahl er.
Sunday blieb nichts anderes übrig.
»Ich werde die Knoten nicht zu fest zuziehen«, sagte er.
»Und melden Sie sich, wenn Ihnen die Beine einschlafen.
Schließlich wäre es unangenehm, wenn ich Sie zum Übergabeort tragen müßte, nachdem unser Mann wohlbehalten sein Ziel erreicht hat.«
»Warten Sie«, unterbrach ihn Sunday. »Sie haben noch meine Jacke, und es ist kalt hier. Darf ich sie anziehen?«
Es war, als hätte er sie nicht gehört, denn er fuhr einfach fort, sie zu fesseln. Sunday biß die Zähne zusammen, als ihr ein scharfer Schmerz durch die Schulter schoß.
Trotz des Dämmerlichts hatte der Entführer ihre Reaktion offenbar bemerkt. »Ich möchte Ihnen keine unnötigen Schmerzen zufügen«, meinte er. »Ich lockere die Fesseln ein wenig. Und Sie haben recht, es ist ziemlich kalt hier
Weitere Kostenlose Bücher