Und trotzdem ist es Liebe
und meine Mutter sitzen Knie an Knie auf der Couch und trinken Kir royal.
«Wo ist Benny?», will meine Mutter wissen, bevor sie auch nur hallo gesagt hat. Es rollt mir jedes Mal die Fußnägel auf, wenn sie ihn Benny nennt. Jetzt, da wir nicht mehr zusammen sind, hasse ich es noch mehr.
Ich merke, wie ich mich anspanne, als ich mich ihnen gegenüber in einen Sessel setze. «Er schafft es heute nicht.»
«Warum nicht?», fragt meine Mutter.
«Er muss arbeiten.» Ich lächle strahlend. «Der Laden boomt.»
Mit diesem Satz müsste ich mich eigentlich sofort verraten. Ich benutze keine Formulierungen wie «Der Laden boomt».
«Aber Benny arbeitet samstags nie», sagt meine Mutter, als wäre er ihr vertrauter als mir. «Gibt’s Ärger im Paradies?»
Ich bewundere die Fähigkeit meiner Mutter, jede Kontroverse sofort zu wittern. Ihr Lieblingsspruch ist: «Wo Rauch ist, ist auch Feuer.» Was, beiläufig gesagt, auch ihre ausdrückliche Begründung dafür ist, dass sie glaubt, was in der Boulevardpresse steht, so ungeheuerlich die Story auch sein mag.
«Bei uns ist alles in Ordnung», sage ich und bin erleichtert, dass ich mich dafür entschieden habe, ein letztes Mal meinen Ehering zu tragen.
Sie schaut sich um, beugt sich dann vor und flüstert: «Sag mir ja nicht, dass er dir den Scott gemacht hat.»
Ich schüttle den Kopf und frage mich, wie ausgerechnet sie es wagen kann, den ersten Stein auf Scott zu werfen. Andererseits gehört meine Mutter natürlich zu den begabtesten Geschichtsklitterern der Welt – O. J. Simpson ist ein Waisenknabe dagegen. O. J. hat sich anscheinend selbst eingeredet, dass er niemanden umgebracht hat, und meine Mutter hat in ihren eigenen Augen niemals etwas falsch gemacht. Zumindest, so rationalisiert sie es für sich, hat mein Vater sie dazu getrieben, ihn zu betrügen – was absoluter Unsinn ist. Mein Vater war ein besserer Ehemann, als sie ihn je verdient hat.
«Nein, Mutter.» Aber um wie viel einfacher und klarer wäre die Sache, wenn es um eine Affäre ginge. Ich könnte niemals mit einem Mann zusammenbleiben, der mich betrogen hat – unter welchen Umständen auch immer. In dieser Hinsicht bin ich eher wie die meisten Männer. Das hat weniger mit Moral zu tun als mit meiner Unfähigkeit zu verzeihen. Ich bin Weltmeisterin im Grollen, und ich glaube nicht, dass ich daran etwas ändern könnte, selbst wenn ich wollte.
«Lüg mich nicht an, Claudia», sagt sie und betont jedes Wort, um maximale Wirkung zu erzielen. Dann gibt sie Daphne einen Rippenstoß und fragt sie mit lauter Stimme, ob sie etwas wisse. Daphne schüttelt den Kopf und nimmt ein Schlückchen aus ihrem Champagnerglas.
«Mutter. Dieser Tag gehört Zoe», sage ich. «Bitte hör auf.»
«O mein Gott ! Es gibt Ärger!» Sie schreit praktisch. «Ich weiß , wenn es Ärger gibt!»
Mein Dad brummt, dass das ja wohl passe, denn schließlich sei sie meistens der Grund dafür.
Meine Mutter macht schmale Augen und dreht sich zu ihm um. «Was hast du gerade gesagt, Larry?»
«Mutter», ruft Maura aus dem Bad, wo sie sich gerade noch einmal zurechtmacht. «Was immer du da gerade machst, hör auf!»
«Unglaublich. Wieso wirft man mir vor, dass ich mich um mein Kind sorge?» Sie wendet sich an Daphne, ihre einzige potenzielle Verbündete in einer solchen Situation. Daphne sieht unsere Mutter genauso wie Maura und ich, aber sie kann nicht anders, sie wanzt sich an sie heran. Sie ist verletzlich und empfindsam, und sie braucht die Liebe unserer Mutter auf eine Weise, die mich gleichzeitig ärgert und mit tiefem Mitleid erfüllt. Maura und ich haben uns längst abgeschottet; uns kümmert nicht mehr, was unsere Mutter tut oder lässt. Daphne kann das nicht.
«Unglaublich», wiederholt meine Mutter und macht ein verletztes Gesicht.
« Du bist unglaublich, Vera», sagt mein Vater quer durch das Zimmer.
Die Szene, die sich hier entfaltet, ist so vorhersehbar, dass es mir schon wieder einen Stich gibt, weil ich Ben vermisse. Oft haben wir uns solche Tage schon vorher ausgemalt und Wetten darüber abgeschlossen, wer was sagen und wie lange es dauern würde, bis es gesagt wurde.
Meine beiden Schwäger, Scott und Tony, waren auf der hinteren Veranda dabei, Bierflaschen in einen großen Eimer mit Eis zu versenken. Jetzt kommen sie ins Wohnzimmer und wechseln dabei einen Blick, der sagt: «Wir sitzen im selben Boot, Alter.» Sie haben wenig miteinander gemeinsam – Tony ist einer, der karierte Hemden trägt und die
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