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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spencer-Fleming Julia
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einem Nagel neben der Tür zur Weide und sagte ihr, dass er hier war. Auf sie wartete.
    Es war eine Scheune im Ständerbau, zu einem einzigen Zweck errichtet: Heu für den langen harten Winter zu lagern. Die Eingänge vorn und hinten waren hoch genug, um einen Heuwagen durchzulassen, und er musste sich bis zur Kante hinaufziehen und dann über einige Ballen klettern, ehe er stehen konnte. Dann konnte er entweder weiterklettern oder sich auf einen der massiven Tragebalken setzen, die quer durch die Scheune führten, oder die Decke, die sie hier zurückgelassen hatte, auf einem Heuhaufen in der Ecke ausbreiten. Meistens entschied er sich für den Tragebalken oder setzte sich im Schneidersitz auf einen Ballen. Das weiche Heu und die Decke waren zu lässig, zu … sexuell. Es hatte keinen Sinn, die Versuchung herauszufordern.
    Ehe sie ihn hierhergebracht hatte, war die Scheune ihr Rückzugsort gewesen. Sie hatte hier eine Kiste mit Büchern und CDs, einen CD-Player und Wasserflaschen. Außerdem wusste er, dass sie hier rauchte, obwohl sie es nie in seiner Gegenwart tat; in der Luft lag über dem grünen, staubigen Duft nach altem und frischem Heu immer ein Hauch Marihuana.
    Er balancierte über den Balken und spähte aus dem kleinen Guckloch über die Weide. Sein Brustkorb hob und weitete sich, als er sah, wie sie sich einen Weg über die Wiese bahnte, vorbei an Schafkötteln und frühen Gänseblümchen. Es war dumm, das wusste er. Dumm und gefährlich. Daheim hätte er sie, wäre sie eine von ihnen gewesen, umwerben können, ihre Brüder kennenlernen, sie seinen Eltern vorstellen. Hier durften sie sich nicht einmal zusammen sehen lassen.
    Nein, es war mehr als das. Hier durfte er sich nicht einmal erlauben, auf diese Weise an sie zu denken. Sie war anglo, Nordamerikanerin, gehörte zu einer Familie, die, wie er aus ihren stockenden Gesprächen schloss, einen ganzen Berg besaß und das wellige Farmland ringsum. Und sie war gefangen in Dunkelheit und Gewalt. Wenn er das nicht schon seit der Nacht, in der er sie getroffen hatte, gewusst hätte, wäre es ihm spätestens heute aufgegangen, als Raul auf halber Strecke zwischen ihrem und dem Land der McGeochs über einen ermordeten Mann gestolpert war. Nein. Sie war für ihn unerreichbar, aus mehr Gründen, als er aufzählen konnte.
    Dabei war sie nicht einmal besonders schön. Sie war zu blass, ihr Gesicht zu breit. Er nahm an, dass sie ihn an die Mädchen erinnerte, für die er zu Hause geschwärmt hatte. Sie war rundlich, fraulich, aber zäh. Arbeitete schwer. Rasch mit einem Lächeln bei der Hand, aber nicht billig und leicht zu haben wie so viele der Frauen hier oben im Norden.
    Und sie brauchte ihn, brauchte seine Kraft auf eine Weise, die er bis jetzt nicht ergründet hatte.
    Sie verschwand aus seinem Blickfeld und tauchte einen Moment später an der Hintertür auf, wo sie eine Papiertüte auf das Heu warf, ehe sie sich über den Torrahmen nach oben zog. »Amado?« Sie blinzelte im dämmrigen Licht. »Ich habe Mittagessen. Äh, la comida. «
    Er ließ sich vom Balken fallen. »Oh!« Sie fasste sich an die Brust und sagte etwas auf Englisch, so rasend schnell, dass er ihr nicht folgen konnte. Er hielt sich die Hand ans Ohr. »Eh?«
    »Eh?« Sie lachte.
    »Mittagessen«, wiederholte er. »Ich habe Hunger.«
    »¿Yo hambre?«
    »Tengo hambre«, verbesserte er. Er griff nach der Decke, schlug sie auf und ließ sie auf die Heuballen gleiten wie eine Picknickdecke. Sie öffnete die Tüte und holte Papierservietten, Sandwiches, Maischips und Äpfel heraus. Sie saßen sich gegenüber. Keine Berührungen. Das Sandwich war köstlich, echtes Brot, belegt mit Fleisch und Käse. Er fragte sich, ob sie es extra für ihn zubereitet oder eines mitgenommen hatte, das für ein Mitglied ihrer Familie bestimmt gewesen war. Er fragte sich, ob sie die hohen, schweren Gitter zwischen ihnen spürte, die sie voneinander trennten. Er fragte sich, was sie über ihn dachte, wenn sie allein war.
    » Por qué … du … hier jetzt?«, fragte sie, den Mund voller Maischips. »Keine Arbeit por la dia? «
    »Versteck«, sagte er. Er schluckte den Rest seines Sandwiches hinunter. Er wusste nicht, ob er ihr Schwierigkeiten bereitete oder ihr half, sie zu vermeiden. Aber er musste ihr von dem Toten erzählen. Er war zu nah bei ihrem Land gefunden worden und auch zu bald nach ihrer Flucht durch die Wälder, als dass es Zufall hätte sein können.
    Er sprach spanisch, wollte die ganze Geschichte erzählen,

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