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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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hier weit auseinander, und Straßen und Gehwege waren wie ausgestorben. Vor einer kleinen Kreuzung passierte der Hoofdinspecteur eine erleuchtete Tankstelle. Die Zapfsäulen und der Asphalt vor dem Kassenhaus der Tankstelle waren in grelles rotweißes Licht getaucht. Die verschlungene Neonreklame im Fenster des Kioskbereichs spiegelte sich in einer großen, schillernden Pfütze. Auf der Straßenseite der Zapfsäulen war der Boden übersät mit Zigarettenkippen, Bierdosen und Junkfood-Schachteln. Der Platz hinter der Registrierkasse war leer. Gallo fuhr bei Rot über die Kreuzung.
    Als er die Tankstelle hinter sich gelassen hatte, umgab ihn die Dunkelheit wie ein schwarzer Samtvorhang. Er bog in eine schmale Straße, und nach ein paar Metern parkte er den zivilen Einsatzwagen vor dem geschlossenen Tor einer Lagerhalle. Er holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach, stieg aus und sah sich um. Staub trieb über die leeren Parkplätze. Die Straße, an deren Ende die Baustelle lag, war verwaist. Die meisten Laternen waren kaputt, und auch aus den niedrigen Hütten in den Schrebergärten fiel kein Licht. Durch die Kronen der Bäume fuhr der Wind mit einem dunklen Rauschen.
    Gallo ging langsam auf die Baustelle zu, vorbei an einem längstgeschlossenen Stehimbiss, der Falafel und Shishkebab anpries. Dahinter lag ein Import-Export-Geschäft mit vergitterten Schaufens-tern und Stahljalousien vor den Türen. Im Dunkel hinter den schlierigen Scheiben stapelten sich zusammengefaltete Jeans, Windjacken, Plastiksandalen und Elektrogeräte, trauriger Ramsch, ausgebreitet wie Treibholz. Grellrote Rabattprozente auf vergilbten Pappdeckeln wirkten wie Lockfähnchen für Strandräuber.
    Die Luft roch süß und schwer nach Abfall, der in der Nässe der vergangenen Nacht zu faulen begonnen hatte. Auf der anderen Seite der Baustelle ragten kantige Betonwaben in den Nachthimmel. Hinter einigen Fenstern flimmerte der fahle Unterwasserschein eingeschalteter Fernseher. Im Gehen lockerte Gallo die Sig Sauer im Schulterhalfter. Die Taschenlampe hielt er ausgeschaltet in der linken Hand; noch reichte der schwache Schein der wenigen Laternen. Das ganze Gewerbegebiet lag still, und das Schweigen schien etwas Bösartiges zu haben, tückisch und abweisend, als ob alles, was Radschiv, Mira und Shak bei den Vernehmungen ausgesagt hatten, in diesem dunklen Schweigen erst wirklich Gestalt annahm.
    An der nächsten Ecke begann die Baustelle. Gallo richtete die Taschenlampe auf den Zaun und konnte die gelbe Planierraupe erkennen. Sprayer hatten die Karosserie mit fremdartigen Schriftzeichen besprüht. Er erreichte den Maschendrahtzaun und ging bis zu der Stelle mit dem Loch. Der Lichtkegel der Taschenlampe geisterte über die Maschen des Zauns, den zerfetzten Rand des Lochs, über verdorrte Grashalme und wucherndes Unkraut. Der Wind strich über das Areal, schliff pfeifend an den Ecken und Kanten der Betonröhren und Schrotthaufen. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden, und die Nacht wirkte jetzt noch schwärzer.
    Ein Ast knackte unter Gallos Turnschuhen. Vorsicht, Landminen, schoss es ihm durch den Kopf. Dann dachte er: Du bist nicht mehr in Sarajevo. Du bist in Amsterdam. Aber plötzlich hatte er dasselbe Gefühl wie damals: die Zerstörung, das Verwüstete, die bösartige Stille.
    Der Krieg war vorbei gewesen, damals in Sarajevo, aber noch immer lag die Erinnerung auf allem wie schwarzer Tau. Er stiegaus dem Fluss auf, wehte mit dem Nachtwind durch die Straßen, hing in den Kronen der Zypressen. Die Erinnerung an das endlose Sterben, an die Granaten und Heckenschützen sirrte zwischen den zerschossenen Häuserzeilen. Sie kauerte in den rußgeschwärzten Fensterlöchern der Hochhausskelette und hockte in den ausgebrannten Autokarosserien. Die wenigen Passanten, die trotz der Ausgangssperre unterwegs waren, schienen vor diesen Erinnerungen davonlaufen zu wollen, vor den Geistern der Toten, Christen und Moslems. Abgesehen von dem gelegentlichen Aufheulen eines Automotors hing eine beklemmende Stille über der Stadt.
    Gallo spürte, wie etwas mit ihm vorging, als erfülle ein jäher Stoß von weißem Licht sein Gehirn. Er sah mehr und schärfer, fast wie mit einem Infrarotgerät, und sein Gehör maß blitzschnell die Entfernung zu jedem Geräusch.
    Du bist nicht mehr in Sarajevo. Du bist in Amsterdam.
    Er schob den Zaun mit der Taschenlampe auseinander und kletterte durch das Loch. Der Zaun schepperte leise. Dann hörte Gallo nur noch den Wind und

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