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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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das Rascheln seiner Schritte im Unkraut. Der Lichtkegel der Lampe verfing sich in Gestrüpp, geisterte über Haufen von eingedellten Blechdosen, über ein verbogenes Bettgestell, einen ramponierten Autositz und ausrangierte Küchengeräte. Zwischen zwei Sträuchern hinter der Planierraupe fiel der Lampenstrahl auf den Kühlschrank, von dem das Kind gesprochen hatte. Gallo prägte sich alles ein, alles, was er sah, und jeden Schritt, den er tat. Dann schaltete er die Lampe aus und tastete nach dem Griff der Pistole.
    Plötzlich hörte er etwas: das ferne Rauschen der Stadt auf der anderen Seite des IJ; einen Bootsmotor, der lauter wurde, dann wieder leiser; das leise Knirschen seiner Schritte auf der trockenen Erde; den Wind, der über das Gelände strich; das Pochen seines Herzschlags dicht hinter den Rippen; seine Atemstöße, schneller als sonst.
    Ein Klirren, ein dumpfer Stoß.
    Es klang wie ein Fuß, der gegen einen schweren Metallgegenstand gestoßen war. Ein schwacher Lichtschein leuchtete auf underlosch wieder. Sekundenkurz sprang ein Schattenmuster aus der Nacht, zackige Konturen, die noch einen Moment auf Gallos Netzhaut blieben, bevor sie zurückfielen in die Dunkelheit.
    Er blieb stehen, hielt den Atem an. Lauschte. Die Nerven unter seiner Haut strafften sich, schienen zu glühen. Vorsichtig zog er die Pistole aus dem Schulterhalfter. Ein anderes Geräusch, ein Vorbeistreifen, kaum hörbar. Noch einmal, jetzt weiter entfernt. Eine Katze, dachte er. Oder jemand, der ihn beobachtet hatte. Der wissen wollte, ob er gekommen war, und sich fast lautlos entfernte.
    Wer bewegt sich so lautlos? Wer kann das?
    Ein Auto wurde gestartet, leise sprang der Motor an. Gallo stellte sich vor, wie plötzlich ein Scheinwerfer aufflammte und ihn auf dem Pfad festnagelte. Die Vorstellung war so intensiv, dass er sich schon in grellweißes Licht getaucht fühlte, herausgeholt aus dem Faltenwurf der Nacht, um auf einer Bühne zu sterben, auf der er nie hätte stehen sollen.
    Jedenfalls nicht, wenn ich die Dienstvorschrift befolgt hätte.
    Er schüttelte seine Lähmung ab und ging vorsichtig weiter, die ausgeschaltete Taschenlampe in Brusthöhe vor sich. In der rechten Hand hielt er die Sig Sauer mit der Mündung nach unten neben dem Oberschenkel.
    Nach zwanzig Schritten war er bei dem Kühlschrank. Er blieb wieder stehen, um zu lauschen. Als er nichts Auffälliges hörte, schaltete er die Taschenlampe ein. Kurz ließ er ihren Lichtkegel über die Baustelle huschen und knipste sie dann sofort wieder aus. Der Kühlschrank stand fast genau vor ihm, mit dem Rücken gegen ein Eisengestell gekippt. Die Tür war aus Aluminium, über das der Rost sich ausgebreitet hatte wie Narbengewebe. Der schwache Glanz des Aluminiums glomm noch auf Gallos Netzhaut.
    Er spürte, dass er jetzt allein war. Er verstaute die Sig Sauer wieder im Schulterholster. Er kauerte sich vor dem Kühlschrank nieder. Der Boden war hart, wahrscheinlich ein Betonklotz. Gallo probierte den Türgriff des Kühlschranks aus und stellte fest, dass er sich leicht bewegen ließ, als wäre er kürzlich geölt worden. Er knipste die Taschenlampe wieder an. Der Lichtstrahl wurde von der Aluminiumhüllezurückgeworfen und blendete ihn, als er die massive Tür aufzog. Dann fiel das Licht in das Innere des Kühlschranks. Gallo erstarrte, den Türgriff in der Hand.
    Er sah kein Messer mit kurzer Klinge und gebogener Spitze. Er sah auch keine blutigen Handschuhe oder Turnschuhe der Größe 38 und 42. Er sah nicht einmal die Schimmelflecken und die Ätzspuren ausgelaufener Kühlflüssigkeit, die sich über die Innenwände des Kühlraums zogen. Er sah etwas anderes. Er sah den Sinn der Falle, die ihm gestellt worden war.
    Er blickte auf den Mechanismus des Todes.

32
    Der Commissaris schaute immer wieder auf seine Armbanduhr. Die Leuchtstreifen an den Tunnelwänden erfüllten das Innere des Wagens mit einem unruhigen Flackern, das es schwer machte, den Zeigerstand zu erkennen. Er schaute hin, und es war kurz vor halb eins, und als er wieder hinschaute, war es zwanzig nach zwölf. Julika trat das Gaspedal ganz durch. Sie hatte das Blaulicht aufs Dach gestellt, aber die Sirene benötigten sie nicht, denn außer ihrem Einsatzfahrzeug gab es keine anderen Wagen im Tunnel unter dem IJ.
    »Das Kind war ein Köder«, sagte der Commissaris. »Es sollte sein Misstrauen dämpfen. Jemand hat es dazu gezwungen oder dafür bezahlt, und es hat funktioniert.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte

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