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...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

Titel: ...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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auf die Ereignisse des Filmes gar nicht verhehlen kann und sie in einer Art volkstümlichem Gemeinschaftsbedürfnis äußern muß, wie sie den Menschen unserer Region nun mal eigen ist. Es handelt sich hier zweifellos um den bekannten >Besorg’s ihr<-Effekt, der instinktiv ausgelöst wird, wenn auf der Leinwand eine Kußhandlung von über drei Sekunden Länge stattfindet. 65 Prozent der urbanen Jugend ist von dem >Besorgs ihr<-Syndrom betroffen.
    Wir haben es hier mit einem landesweit verbreiteten und wissenschaftlich erforschten Phänomen zu tun, dem Ergebnis eines überstarken endogenen Dranges, angeborenen scharfsinnigen Humor und intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren, begleitet von den zugehörigen, symptomatischen Vitallauten wie gurgelndes Gekicher oder schrilles Gekreische.«
    Der Anwalt des Angeklagten bittet um das Wort.
    »Ich betrachte den cineastischen Zwischenruf meines Mandanten als das aufrichtig empfundene Anliegen unserer Jugend, sich organisch in den Kulturkreis der benachbarten Länder einzugliedern«, sagt er. »Nichtsdestotrotz bestreitet mein Mandant mit Nachdruck jeden einzelnen Punkt der Anklage. Weder war er im Kino, noch hat er den Film gesehen, zu keinem Zeitpunkt hat er >Besorg’s ihr< gebrüllt, und überhaupt möchte er jetzt bitte gehen.«
    Der Staatsanwalt legt Einspruch ein. Der Richter bittet um eine Rekonstruktion des Geschehens. An der Rückwand des Gerichtssaal wird eine Leinwand heruntergelassen, und schon läuft das berühmte Werk des KinoGenies Ingmar Bergmann, ein bewegender Meilenstein der Filmgeschichte, vor den Augen der atemlos gebannten Zuschauer im Gerichtssaal ab. Mussa sitzt neben seinem Anwalt und knackt Erdnüsse. Schon kommt die Szene, in der die Kinder vor dem sicheren Tod gerettet werden.
    Die Atmosphäre im Gerichtssaal knistert vor Spannung. Kurz vor dem Kuß schreckt Mussa auf. Sein Anwalt hält ihn fest und flüstert pausenlos auf ihn ein. Auf der Leinwand nehmen die Liebenden eingedenk höherer menschlicher Werte Abschied voneinander, und ihre Lippen finden sich in einem innigen Kuß. In Mussa tobt ein innerer Kampf, seine Ohren röten sich und in seinem Bauch rumort ein unwiderstehlicher Druck, der unaufhaltsam in seinen Kehlkopf steigt. Energisch schüttelt er die Hand seines Anwalts ab und schießt in die Höhe.
    »Besorg’s ihr, Schlappschwanz«, brüllt er, »lutsch ihr den Lippenstift runter!«
    Im Gerichtssaal gehen die Lichter an. Der Anwalt zittert vor Erregung, der Staatsanwalt bebt vor Zorn, während der ältere Mitbürger leblos hinausgetragen wird. Der Richter zieht sich zur Urteilsfindung zurück.
    »Gemäß dem Gesetz zur Vermeidung von >Besorgs ihr, Schlappschwanz<-Rufen in Lichtspielhäusern aus dem Jahre 1998«, verkündet er nach seiner Rückkehr in den Gerichtssaal, »würde ich den Angeklagten zu zwei Monaten Haft und einer hohen Geldstrafe verurteilen, wenn es ein solches Gesetz in den Ländern des Nahen Ostens denn gäbe. Da es jedoch kein einschlägiges Gesetz gibt, verurteile ich Ingmar Bergmann zu zwei Stunden Mussa.«

Baujahr 1714
    Kleine Länder haben nicht selten Profilneurosen. Wir sind ein kleines Land. Darum haben wir zum Beispiel große Autos besonders gern, und das bringt einige Probleme mitsich. Untersuchungen haben ergeben, daß ein amerikanischer Straßenkreuzer vom Baujahr 1992 ungleich breiter ist als eine israelische Straße vom Baujahr 1714. In solchen Fällen parkt die Straße im Wagen. Dem kleinen Israeli bietet sich als einzige Lösung an, sein Fahrzeug zu halbieren und somit zum guten alten Motorrad zurückzukehren.

Mitleid nicht gleich bestraft
    In jener Nacht verließ ich Petach Tikwah auf meinem nagelneuen Motorrad in Richtung Tel Aviv. Am Stadtrand von Petach Tikwah stand ein kleiner, altersgebeugter Mann, winkte verzweifelt mit den Händen und krächzte, so laut er konnte: »Tel Aviv, Tel Aviv.«
    Augenblicklich erwachte mein mitfühlendes jüdisches Herz. Eines Tages, so flüsterte es mir zu, eines Tages wirst auch du klein und altersgebeugt sein und wirst dich freuen, wenn dich am Stadtrand von Petach Tikwah jemand nach Tel Aviv mitnimmt.
    Ich bremste scharf und bat den Alten auf den Hintersitz. Er kroch mühsam und umständlich hinauf.
    »Gottlob gibt’s noch anständige Menschen im Lande«, sagte er in fließendem Jiddisch. »Der Himmel segne Sie, junger Mann.«
    Ich wehrte ab. Ich hatte nur meine Pflicht getan.
    »Sie müssen sich gut festhalten, Großpapa«, sagte ich sicherheitshalber und

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