...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
haben. Als die neue Therapie noch in den Kinderschuhen stak, gab es nämlich nur medizinische Artikel und illustrierte Fachliteratur. Die Fitneß-Gurus haben jedoch sehr schnell die Überzeugungskraft der visuellen Anleitung erkannt. Auch die Fernsehsender haben rasch geschaltet und senden Tag für Tag junge, braungebrannte Tänzerinnen, die mit strahlendem Lächeln ihre Strandübungen vorführen. Eine wirklich lobenswerte Idee. Zeigt sie doch dem altersmüden Zuschauer, daß er, wie der bronzefarbene Tänzer, zu einem durchtrainierten Körper kommen kann, wenn er nur genügend Energie und Geld in die erlösenden Kassetten investiert.
Wir, die glorreichen Sieben, versäumen also keine einzige Turnstunde, vor allem, seit zwei Kursteilnehmer aus Europa 18 brandneue Fitneß-Kassetten für Fortgeschrittene mitgebracht haben.
Jedes Gruppenmitglied hat seine persönliche Lieblingskassette. Felix bevorzugt zum Beispiel immer noch die Lektionen der Gründermutter Fonda, während Ingenieur Glück sein Herz an die Trainingsmethode von Madame Mariin verloren hat, dem Star des berühmten »Lido« in Paris. Ich hingegen schwanke noch zwischen der Übungskassette der blonden Schönheit Claudia Schiffer und jener der Go-Go-Girls Gaby und Judy, die Europas Bildschirme mit ihrer Sendung »Enorm in Form« eroberten. Wobei ich aber auch die Fonda nach wie vor schätze, Ihre langen, wohlgeformten Beine beeindrucken bei den Bodenübungen wie eh und je. Von der Taille aufwärts sind ihr die jungen Konkurrentinnen jedoch haushoch überlegen. Unvergleichlich, wenn Judy ihr hautenges, rotes T-Shirt trägt und ihre Beugeübungen nach vorn demonstriert. Diese Übung heißt im Fachjargon: »Es gibt doch Neues unter der Sonne.« Gabi aber ist der Champion dieser Übungen. Mit einem rhythmischen Schwingen der Hüften hüpft sie auf der Stelle, ein bezauberndes Lächeln auf ihren vollen Lippen. Ihr »EinsZwei«, lockt zum Mitmachen. »Bein-hoch, Arm, Seite -drei-vier, tiiiief durchatmen ...«
Oh ja, wir atmen tief. Rhythmisch versinkt die Gruppe in Felixens kuschlige Sessel, und wenn dann die Mariin vom »Lido« noch ihren Spagat hinlegt, wird das Atmen noch tiefer. Das ist ja das Schöne am Fitneß-Training. Man trainiert zwar gemeinsam, kann aber doch seinem persönlichen Stil frönen. Wenn zum Beispiel Claudia Schiffer in ihrem zartgrünen Outfit ihre unvergleichliche Brücke vorgeführt hat, kann Ingenieur Glück ohne weiteres ein Dakapo verlangen. Dann wird der Film zurückgespult, und wir bewundern diese sportliche Meisterleistung noch einige Male unter dem Motto des Ing. Glück: »Gesundheit geht über alles.«
Jedem Mann seine eigene Fitneß. Und immerhin sieht der betagte Ingenieur seit Beginn unserer Video-Fitneß um mindestens zwei Monate jünger aus. Wenn er auch, wie wir alle, stark an Gewicht zugelegt hat, vermutlich wegen der beachtlichen Mengen an Keksen und Nüssen, die wir während der Übungen futtern. Unser Hormonhaushalt jedoch ist ausgeglichen wie nie zuvor.
Fitneß-Übungen halten aber auch für den ausgefuchsten Profi noch so manche Überraschung bereit. So habe ich zum Beispiel erst während der zehnten Übungsstunde in der zweiten Reihe hinter Claudia Schiffer die dritte von links entdeckt, ein absolutes Traummädchen in einem umwerfenden Body, die, wie es die Bodybuilding-Gurus versprechen, frisches Blut in wirklich alle Körperteile treibt.
Letzte Woche aber, als wir gerade im schönsten FitneßRausch waren bei heißen Rockrhythmen, zu denen eine uns bislang unbekannte Trainerin im roten Bikini vorturnte, ertönte plötzlich im Dunkeln die zögernde Stimme Gustis.
»Vielleicht versuchen wir s auch einmal .«
Felix stoppte den Bikini mit der Fernbedienung auf dem Höhepunkt des Brustmuskeltrainings und erstarrte.
»Wie bitte«, fragte Felix nach, »was sollen wir?«
»Ich schlage vor, daß wir mitmachen«, wiederholte Gusti jetzt schon etwas forscher.
»Wo mitmachen?«
»Bei den Übungen.«
Felix knipste das Licht an.
»Um Gottes willen«, sagte er, »was will er?«
Erst nach einer Weile durchschauten wir Gustis Absichten. Er schlug tatsächlich vor, daß wir, die glorreichen Sieben, uns aus unseren Sesseln erheben sollten, um unsere Gliedmaßen zu bewegen. Er flog natürlich sofort aus unserem Kurs.
»Perverse haben hier nichts zu suchen«, stieß Ing. Glück wütend hervor, der seit seiner plötzlichen Scheidung etwas gereizt war.
Nach Gustis Abgang gingen wir zur Tagesordnung über. Vor allem, da wir
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