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Und was, wenn ich mitkomme?

Und was, wenn ich mitkomme?

Titel: Und was, wenn ich mitkomme? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Prawitt
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einen Kaffee trinken kann. Rachel und Jean-Paul, die Frühaufsteher, sind längst fort. Christian schließt sich uns an.
    Es regnet ununterbrochen und gleichmäßig stark, weshalb wir von Bolibar bis Munitibar schweigend und im Gänsemarsch auf der Landstraße laufen. Heute kommen wir aus unseren Regencapes nicht heraus. Wir sehen aus wie Gartenzwerge mit unseren Zipfelmützen und weit ausladenden Umhängen, die der Wind bauscht. Richtig eklig ist es, wenn sie wie ein Soufflé zusammenfallen und eisig und regentriefend gegen unsere Beine klatschen. Doris’ Hose ist nass bis zu den Oberschenkeln. Pit und ich haben, um genau das zu vermeiden, unsere Wanderhosen auf Shortlänge kurz gezippt. Was man nicht anhat, das kann auch nicht nass werden. Wir mit unseren knallroten Umhängen nehmen Doris und Christian in ihren tarngrünen Capes in unsere Mitte. Pit geht voran, ich bilde das Schlusslicht. So können uns vorüberrauschende Autos leichter durch die dichte, graue Wetterwand erkennen.
    Munitibar ist ein Ort mit höchstens drei verwinkelten Straßen. In einer finden wir eine Bar mit niedriger, holzverkleideter Decke und einem winzigen Gastraum, in dem die Tische sich so dicht aneinanderdrängen, dass man kaum weiß, wie man Platz für seinen Stuhl finden soll. Über der Theke hängen riesige Schinken, und aus der offenen Küche riecht es herrlich nach gebratenem Fleisch, nach Gemüse, frischem Kaffee und Süßem. Alles ist sehr urig und ganz und gar nicht touristisch. In so ein Nest verirrt sich bestimmt niemals ein Urlauber, und die Pilger wandern vermutlich einfach daran vorbei. Aber wir sind erleichtert, endlich ein trockenes Plätzchen gefunden zu haben, und nicht nur das, nein, hier treffen wir auch wieder auf unsere »Pilgerfamilie«. Rachel, Jean-Paul und Philipp, der in Deba seine Isomatte in unserer engen Klause ausgerollt hat, sitzen fröhlich und trocken bei café con leche. Es gibt ein lautes Hallo, und die drei rutschen sofort zusammen. Wir schälen uns aus unseren Regencapes und quetschen uns neben unsere Freunde. Doris stützt ihre Unterarme entspannt auf die blütenweiße Papiertischdecke. Die ist sofort aufgeweicht bis auf die Tischplatte — so nass sind ihre Ärmel! Macht aber nichts. Die Ärmel werden hochgekrempelt und das matschige Papier wird zur Seite geschoben.
    Ob es mit einem Mittagessen klappt, ist nicht gewiss. Der Wirt erklärt uns, dass dies eine Gaststätte für die Arbeiter aus der Umgebung ist. Sie kommen jeden Mittag hierher, und deshalb weiß seine Frau genau, wie viel sie kochen muss. Mit unangemeldeten Gästen rechnet hier niemand. Aber café con leche gibt es natürlich. Und dann treffen nach und nach die spanischen Kunden ein. Aus der Küche werden Glasschüsseln mit dampfender Bohnensuppe hereingebracht, Platten mit Bergen von Salat, Kartoffeln, Pommes und Fisch, außerdem kühler Rotwein und Zitronensprudel, was zusammengemischt wunderbar spritzig und erfrischend schmeckt. Und siehe da, es ist wohl reichlich vorhanden, denn auch auf unserem Tisch türmen sich die Herrlichkeiten. Zum Nachtisch gibt es Flan im Blechnapf, einen süßen, braunen Karamellpudding, für den ich diesen Regenweg glatt noch einmal laufen würde, und zum Abschluss café solo, so schwarz und stark wie italienischer Espresso. Wir langen alle kräftig zu, albern herum, lachen und schwatzen und sind uns einig: Das Leben ist ein Fest!
    Leider hat es auch nach dem Essen nicht aufgehört zu regnen. Deshalb entschließen sich die Kanadier, die heutige Etappe mit dem Bus zu Ende zu bringen, während wir anderen unerschrocken den Weg unter unsere Wanderschuhe nehmen. Es geht durch einen Wald mit wahren Matschwegen. Manche von ihnen sind zu reißenden Bächen angeschwollen und so breit, dass sie sich nicht mehr ohne Weiteres überspringen lassen. Ständig müssen wir vom Weg abweichen und uns durchs Unterholz schlagen. Mit Regencape ist das gar nicht einfach. Wir verfangen uns damit in Gestrüpp und Dornen. Eine Ziege, die einsam und verlassen an einen Baum angekettet im Regen ausharrt, schaut uns ziemlich betroffen und blöde hinterher. Philipp ist innerhalb von Minuten durchgeweicht wie eine Katze in der Regentonne. Er trägt Jeans, die sich sofort voll Wasser saugen und schwer und dunkel vor Nässe an seinen Beinen kleben. Auch sein Schuhwerk ist nicht gerade optimal; er hat nur ein paar leichte Turnschuhe an, die bei jedem Schritt quatschen, und ständig muss er stehen bleiben, um seine aufgeweichten Socken

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