Und was, wenn ich mitkomme?
Straße. Wie hier der Verkehr funktioniert, ist uns ein Rätsel. Aber viele Autos sehen wir sowieso nicht.
In einer Pension an der Hauptstraße bekommen wir ein Zimmer, das gerade genug Platz für das Doppelbett, ein winziges Kommödchen und ein Regal bietet. Wir wissen fast nicht wohin mit unserem Gepäck. Aber mittlerweile sind wir es gewöhnt, mit wenig auszukommen und unsere Sachen auch auf kleinem Raum gut und übersichtlich unterzubringen. Nach dem obligatorischen Ankunftsprogramm — duschen, Wäsche waschen, Füße pflegen — picknicken wir auf dem Bett unseren letzten Proviant und machen uns danach auf, um den Ort zu erkunden. Natürlich führt uns unser Weg zuerst an den Hafen. Ich freue mich am Meer, das nach dem Regen und geschützt in dieser Bucht blankpoliert vor uns liegt. Auf der Mole stehen Angler in Reih und Glied. Ich bin fasziniert, in welchem Tempo sie Fische aus dem Hafenbecken ziehen. Es wimmeln mehrere Schwärme dort unten, und ich frage mich, warum die Angler nicht einfach große Netze auswerfen oder nicht zumindest Kescher benutzen. Vielleicht ist so etwas nicht sportlich genug oder schlichtweg zum Schutz vor Überfischung verboten. Wie auch immer, es macht Spaß zuzusehen, und Pit und ich können uns lange Zeit nicht losreißen. Als es schließlich zu kalt wird — vom Meer her weht ein eisiger Wind, und die Sonne verbirgt sich hinter goldgeränderten Wolken — spazieren wir zurück zum einzigen großen Platz des Ortes, kehren in eine Bar ein und bestellen Cidre und Oliven. Wir sitzen draußen, was gut ist, denn plötzlich wird mir speiübel. Tief durchatmen und Pit den restlichen Cidre überlassen. Und dann heim ins hostal.
Merkwürdig, dass ich unsere Unterkünfte wie ein Zuhause erlebe. Aber vielleicht ist Zuhause nicht einfach nur unser Haus. Vielleicht ist Zuhause tatsächlich dort, wo meine Sachen sind, wo ich mich wohlfühle und sicher und wo ich die Nacht verbringen werde. Wer weiß, wo das morgen sein wird?
26. TAG CUDILLERO — SOTO DE LUIÑA
Heute war kein guter Tag, und ich bin froh, ihn überstanden zu haben.
Pit sitzt auf seinem Bett und schreibt Tagebuch. Ich sitze im Bett neben ihm, meinen Schlafsack über mich gezogen, und tue genau dasselbe. Pit ist eher fertig. Jetzt wartet er, bis auch ich zum Ende komme, damit wir wie jeden Abend unsere Tagebücher austauschen und den Eintrag des anderen lesen können.
Das hat Pit aufgeschrieben:
Heute war der Wurm drin. Es hat unaufhörlich geregnet, und wir haben uns verlaufen. In einem Wald haben wir, ohne es zu merken, den Jakobsweg verlassen und sind eine Stunde rauf und runter, kreuz und quer, vorwärts und rückwärts gewandert. Boden, Sträucher, Gräser und Farne trieften vor Nässe, und Eva und ich waren extrem genervt. Heute kam keine Freude auf. Jetzt sind wir in der Herberge, eine alte Schule, ganz o.k. Die Hamburgerin ist wieder aufgetaucht und zwei Franzosen.
Eva und ich haben im Hotel nebenan lecker gegessen: typisch asturische Suppe mit Blutwurst, Rotwurst, Schweinefleisch und weißen Bohnen. Etwas Grünes war auch dabei, köstlich! Dann gab es noch Fisch und als postres Pudding. Morgen soll das Wetter wieder besser werden, kein Regen, hoffentlich auch etwas Sonne. Die würde uns guttun...
Für meinen Geschmack schreibt er zu viel von der Suppe und zu wenig vom Weg. Und dass keine Freude aufkam, scheint mir ziemlich geschmeichelt zu sein. Das war ein echt mieser Tag. Dabei versuche ich immer noch, fair zu bleiben.
Das bekommt Pit aus meinem Tagebuch zu lesen:
Der Tag fängt nicht besonders gut an. Es regnet andauernd, mir ist kalt, auch wenn ich schwitze. Außerdem habe ich Herpes und einfach keine Kraft mehr. Wir verlaufen uns im Wald und geraten im hüfthohen Gras von einer Sackgasse in die andere — Schuhe nass, Hose nass, alles nass — trinken in La Magdalena einen Tröster-Kaffee und überlegen, mit der Bahn weiterzufahren. Laut Fahrplan müssen wir aber mindestens vier Stunden warten. Weil das bei diesem Sauwetter keine echte Alternative ist, zockeln wir wohl oder übel weiter.
Die Gegend hier ist sehr schön: Hügel und Streusiedlungen, viel Wald, zwei Eisenbahnbrücken, die sich über das Tal spannen. Ich muss mich zwingen, diesem schönen Fleckchen Erde nicht Unrecht zu tun. Aber der Spaß ist restlos dahin, und heute ist sogar Pit genervt. Wenigstens ist die Herberge in Soto de Luiña großzügig, das Essen ist lecker und die Duschen sind warm.
Merkwürdigerweise schlafen wir in den
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